1. Leistungsausschluss für Ausländer
Immer noch nicht ausgestanden ist die Frage, ob Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich nur aus der Arbeitssuche ergibt oder die kein Aufenthaltsrecht haben, einen Anspruch auf Existenzsicherungsleistungen haben. Das BSG hatte (Urt. v. 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R; s. Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1447, 1448 f.; bestätigt durch BSG, Urt. v. 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R; Urt. v. 20.1.2016 – B 14 AS 35/15 R; Urt. v. 17.2.2016 – B 4 AS 24/14 R; Urt. v. 17.3.2016 – B 4 AS 32/15 R) entschieden, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auch für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht gilt (B 4 AS 44/15 R). Allerdings bestehe nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII Ermessen, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII zu gewähren, welches sich nach sechs Monaten Aufenthalt auf Null reduziere. Hintergrund sind die BVerfG-Entscheidungen zum Regelbedarf (BVerfG, Urt. v. 9.2.2010 – 1 BvL 1, 3 u. 4/09 sowie Beschl. v. 23.7.2014 – 1 BvL 10 u. 12/12 u. 1 BvR 1691/13) und zum Asylbewerberleistungsgesetz (BVerfG, Urt. v. 18.7.2012 – 1 BvL 10/10 u. 2/11), in denen das Grundrecht zur Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz ausgeformt worden ist.
Hinweis:
Die Instanz-Rechtsprechung folgt dem weithin nicht: LSG RP, v. 11.2.2016 – L 3 AS 668/15 B ER; LSG NW, v. 7.3.2016 – L 12 SO 79/16 B ER; LSG NI-HB, v. 7.3.2016 – L 15 AS 185/15 B ER; LSG HH, v. 14.4.2016 – L 4 AS 76/16 B ER; LSG BE-BB, v. 13.4.2016 – L 15 SO 53/16 B ER; LSG HH, v. 14.4.2016 – L 4 AS 76/16 B ER; LSG BE-BB, v. 9.6.2016 – L 31 AS 1158/16 B ER). Dem BSG folgen hingegen LSG NW, v. 24.2.2016 – L 19 AS 1834/15 B ER, L 19 AS 1835/15 B; LSG NW, v. 4.3.2016 – L 7 AS 2143/15 B ER; LSG BE-BB, v. 8.6.2016 – L 15 SO 74/16 B ER.
Einen vermittelnden Weg gehen im ER-Verfahren der 6. Senat des LSG RP und der 6. Senat des LSG NW: Sie lassen offen, ob sie selbst der Auffassung des BSG folgen, beurteilen aber die Erfolgsaussichten in der Hauptsache danach, welches Ergebnis nach einem eventuell durchzuführenden Revisionsverfahren zu erwarten ist, und sprechen deshalb im ER-Verfahren vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu (LSG RP, v. 31.5.2016 – L 6 AS 173/16 B ER und LSG NW, v. 18.4.2016 – L 6 AS 2249/15 B ER, SGb 2016, 397 m. krit. Anm. Bittner).
Noch nicht entschieden ist über die Richtervorlage des SG Mainz (v. 18.4.2016 – S 3 AS 149/16), das den Weg des BSG nicht für ausreichend hält. Solange diese Frage vor dem BVerfG anhängig ist, besteht jedenfalls ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegen die Jobcenter, ob gem. § 41a Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB II (bis 31.7.2016: gem. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III) vorläufig Leistungen nach dem SGB II gewährt werden (so schon LSG BE-BB, v. 20.3.2014 – L 29 AS 514/14 B ER; LSG TH, v. 25.4.2014 – L 4 AS 306/14 B ER).
Ob der offensichtlich migrationspolitisch motivierte Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12.10.2016, die Leistungen auf Überbrückungsleistungen und Rückreisekosten zu begrenzen (s. Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1447, 1449) dem strengen Maßstab des BVerfG ("Die [...] Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.", Urt. v. 18.7.2012 – 1 BvL 10/10 u. 2/11, Rn 95) standhält, ist stark zu bezweifeln.
2. Bedarfe für Unterkunft und Heizung
a) Feststellungsklage gegen Aufforderung zur Kostensenkung zulässig
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (KdU) im Rahmen der Angemessenheit anerkannt. Soweit sie die Angemessenheitsgrenze übersteigen, sind sie so lange als Bedarf anzuerkennen, wie es der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Aufwendungen zu senken (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II). Hierzu erlässt das Jobcenter zunächst eine Kostensenkungsaufforderung.
Nach ständiger BSG-Rechtsprechung stellt die Kostensenkungsaufforderung keinen VA, sondern lediglich ein Informationsschreiben dar. Deshalb ist eine Anfechtungsklage dagegen unzulässig. Die Leistungsberechtigten mussten vielmehr abwarten, bis das Jobcenter einen geringeren Bedarf anerkannte und dann gegen die gekürzten Leistungen vorgehen.
Mit Urteil vom 15.6.2016 (B 4 AS 36/15 R) hält das BSG hieran grundsätzlich fest, erklärt aber nun bereits vor tatsächlicher Bedarfsabsenkung im Interesse des effektiven Rechtsschutzes eine Klage auf Feststellung, dass eine Kostensenkungsobliegenheit nicht bestehe, für zulässig. Wegen der grundsätzlichen Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Anfechtungsklage soll dies allerdings nur als Ultima Ratio gelten: Das Feststellungsinteresse setze voraus, dass den Leistungsberechtigten nicht zuzumuten sei, die tatsächliche Kürzung des anerkannten Bedarfs abzuwarten. Im entschiedenen Fall war das deshalb gegeben, weil das Jobcenter über mehrere Bewilligungsabschnitte hinweg seine Forderung nach Kostensenkung aufrechterhalten hatte, obwohl es – teils auf Rechtsmittel hin – durchgängig die tatsächlichen KdU-Aufwendungen übernahm.
b) Dynamisierung der Deckelung des Unterkunftsbedarfs nach nicht erforderlichem Umzug
Nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II sind als Bedarf für ...