Durch Beschluss vom 6.9.2012 wurde das SMP-Programm eingestellt und durch "Outright Monetary Transactions" (OMT) abgelöst, mit dem die EZB 2012 – gegen die Stimme des Bundesbankpräsidenten – ankündigte, so viele Staatspapiere aufzukaufen wie nötig ("whatever it takes"), d.h. in unbegrenzter Höhe, ohne zeitliche Begrenzung und unter Verzicht auf einen bevorrechtigten Gläubigerstatus auf dem Sekundärmarkt (v.a. Börse, vgl. Riehle, a.a.O., S. 170 f.), sofern entsprechende Sanierungsauflagen (im Rahmen des ESM- bzw. EFSF-Rettungsschirms bzw. der erweiterten Kreditlinien-Konditionen) eingehalten werden (vgl. Thiele, Das Mandat der EZB und die Krise des Euro, S. 58 f.). Griechische Staatsanleihen für 10 Jahre mussten auf dem vorläufigen Höhepunkt der Krise im Jahre 2012 39 % Zinsen versprechen, portugiesische 14 %, spanische 7 % und irische 12 % (vgl. Sinn, Der Euro, S. 62 f.). Die bloße Ankündigung des Programms hat sodann vor allem in den Länder der europäischen Peripherie zu einer Erholung der eingebrochenen Kurse dieser Papiere und einer Senkung der Zinsspreizungen geführt (vgl. Sinn, Der Euro, S. 62 f.).
Hinweis:
Bei Staatsanleihen erhält der Staat den Nennbetrag der Anleihe und verpflichtet sich, diese zum festgelegten Zeitpunkt nebst Zinsen zurückzuzahlen. Staatsanleihen dienen damit der staatlichen Finanzierung. Sie werden an der Börse und außerbörslich gehandelt, so dass der Preis der Staatsanleihe vom Nennbetrag oft beträchtlich abweicht. Ein steigender Preis bedeutet, dass die Rendite der Staatsanleihe zurückgeht, da der Staat immer den gleichen Zinsbetrag und Nennwert zahlt.
Obwohl die EZB hierfür keinerlei eigenes Geld aufwenden musste, so dass von einem Zauber- oder Vertrauenstrick gesprochen wurde (vgl. El-Erian, Aufstieg und Fall der Zentralbanken, S. 63; Stiglitz, Europa spart sich kaputt, S. 252 f.), erfuhr das OMT-Programm eine besondere rechtliche Kritik durch das BVerfG im Vorlagebeschluss vom 14.1.2014 (2 BvR 2728/13 u.a.). Diese Kritik konnte allerdings nicht überzeugen, wenngleich richtig ist, dass es das Programm vor allem den o.g. Ländern ermöglicht hat, wieder neue Staatsanleihen zu tragbaren Konditionen auszugeben.
aa) Mandatsüberschreitung der EZB durch Wirtschafts- statt Währungspolitik?
BVerfG und EuGH stimmen darin überein, dass die EZB nur zur Währungspolitik und – sofern Preisstabilität gewährleistet ist – zur Unterstützung der Wirtschaftspolitik tätig werden, nicht aber selbst Wirtschaftspolitik betreiben darf. Nach beiden Gerichten soll es zur Abgrenzung von erlaubter Geldpolitik und unerlaubter Wirtschaftspolitik auf die Zielsetzung, das gewählte Mittel und die Verbindung zu anderen Regelungen ankommen (BVerfG, Vorlagebeschl. V. 14.1.2014 – 2 BvR 2728/13 u.a., NJW 2014, 907, Rn 63, 65; EuGH, Urt. v. 16.6.2015 – C-62/14, NJW 2015, 2013 ff., Rn 42). In einer "Gesamtschau" kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass das OMT-Programm keine (erlaubte) währungspolitische Maßnahme darstellt, sondern "überwiegend" eine wirtschaftspolitische, die auch weit über eine (isoliert wiederum zulässige) Unterstützung der Wirtschaftspolitik hinausgehe (vgl. BVerfG a.a.O., Rn 69, 80). Angesichts der vom BVerfG verwendeten "weichen" Kriterien ("Gesamtschau", "überwiegend", "mehr als Unterstützung"), muss es prima facie nicht verwundern, dass die Vorlage an den EuGH zu einem gegenteiligen Ergebnis geführt hat.
bb) Umgehung des Verbots monetärer Staatsfinanzierung?
Daneben hat das BVerfG in dem o.g. Beschluss die Auffassung vertreten, dass mit dem OMT-Programm eine (verbotene) monetäre Haushaltsfinanzierung (Art. 123 AEUV) erfolgen würde. Zwar würde nicht direkt gegen Art. 123 AEUV verstoßen, es folge aber aus einer "Gesamtschau", dass Art. 123 AEUV umgangen werden soll: Würde das Eurosystem nämlich Staatsanleihen mit geringer Bonität und erhöhtem Ausfallrisiko erwerben, könnte dies indirekt zur Finanzierung der Haushalte der Problemstaaten führen (vgl. BVerfG a.a.O., Rn 87 ff.). Auch bei diesem Argument muss es nicht unbedingt verwundern, dass die Vorlage an den EuGH zu einem konträren Ergebnis geführt hat. Der EuGH konzediert, dass eine Umgehung von Art. 123 AEUV denkbar wäre, wenn der Erwerb von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt die gleiche Wirkung hätte wie der unmittelbare Erwerb der Staatsanleihen direkt von den betroffenen Staaten. Das wiederum sei dann der Fall, wenn die – zuerst diese Staatsanleihen auf dem Primärmarkt erwerbenden – Wirtschaftsteilnehmer die Gewissheit hätten, diese vollständig zu ihren Einkaufsbedingungen wieder an die EZB verkaufen zu können, so dass sie faktisch als Mittelspersonen der EZB agieren würden. Gerade das sei bei dem OMT-Programm aber nicht der Fall, da eine vorherige Ankündigung über den Zeitpunkt des Ankaufs und des Volumens ausgeschlossen ist (vgl. EuGH a.a.O., Rn 97, 104, 106).
cc) Isoliertheit der kritischen deutschen Position
Das Verfahren vor dem EuGH zu den vorgelegten Fragen hat neben der europarechtlichen Klärung auch gezeigt, dass die kritische deutsche Rechtsansicht isoliert ist. Weder die acht sich äußernden Mitgliedstaaten, noch das Europäische Parlament, noch die Europäische Kommission oder die EZB haben die Ansicht des BVerfG get...