Der nachfolgend behandelte Fall befasst sich mit der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen materiell-rechtliche Einwendungen – hier eine Aufrechnungserklärung – im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sind. Ferner macht er auch auf ein Problem aufmerksam, das der Rechtsanwalt in seiner Praxis ganz allgemein stets beachten sollte: Er sollte nämlich einem Schriftsatz, der ein einseitiges Rechtsgeschäft enthält, stets die Original-Vollmachtsurkunde des Mandanten beifügen.
a) Grundsatz
Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sondern vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage oder – nach Zahlung des festgesetzten Betrags – mit der Bereicherungsklage geltend zu machen (so bereits BGH BGHZ 5, 251; RVGreport 2007, 107 [Hansens]; RVGreport 2016, 233 [ders.] = AGS 2007, 219 für die Verjährung; RVGreport 2007, 37 [ders.] für die Festsetzung der Umsatzsteuer; RVGreport 2014, 318; Thür. OLG RVGreport 2015, 191 [ders.]). Dies wird damit begründet, dass es im Kostenfestsetzungsverfahren allein um die Frage geht, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Dabei ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und deshalb dem Rechtspfleger bzw. dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen. Die Entscheidung zwischen den Parteien streitiger Tatsachen und komplizierter Rechtsfragen ist hingegen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (BGH RVGreport 2006, 233 [Hansens] = AGS 2007, 219; RVGreport 2007, 110 [ders.]). Dies hat zur Folge, dass materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch, zu denen z.B. auch die geltend gemachte Nichtigkeit des Anwaltsdienstvertrags zwischen der obsiegenden Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten gehört (s. OLG Celle RVGreport 2017, 150 [ders.]), im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist. Gleiches gilt für eine Aufrechnung.
b) Ausnahmen
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der materiell-rechtliche Einwand keine Tatsachenaufklärung erfordert, weil etwa die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, diese unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Nur solche Einwendungen können im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise berücksichtigt werden (BGH RVGreport 2005, 235 [Hansens] für die Berücksichtigung der Anzeige der Masseunzulänglichkeit).
c) Fall des OLG Hamm
Das OLG Hamm (RVGreport 2017, 312 [Hansens]) hatte sich in seinem Beschluss ebenfalls mit der Frage zu befassen, ob eine Aufrechnungserklärung im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise zu berücksichtigen ist. Dabei hatte das OLG über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der von den Parteien vor dem LG Bielefeld anhängige Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich vom 25.2.2016, wonach die Beklagten 30 % und der Kläger 70 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Gegen den vom Kläger zur Kostenausgleichung angemeldeten Kostenerstattungsanspruch hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit seinem an den Klägervertreter gerichteten Schreiben vom 18.3.2016 die Aufrechnung erklärt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Erklärung mit Schreiben vom 24.3.2016 zurückgewiesen, weil dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 18.3.2016 keine Vollmachtsurkunde beigelegen hatte. Der Rechtspfleger des LG Bielefeld hat die Aufrechnungserklärung der Beklagten bei der Kostenausgleichung nicht berücksichtigt. Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten sei aufgrund der erfolgten Aufrechnung erloschen. Das OLG Hamm hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
d) Aufrechnung nicht unstreitig
Das OLG Hamm hat sich den von der Rechtsprechung entwickelten und vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen (s. oben a, b) angeschlossen. Das OLG hat ferner die Auffassung vertreten, die Aufrechnung sei hier nicht unstreitig. Dem Aufrechnungseinwand stehe nämlich entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die im Schreiben der Beklagtenvertreter vom 18.3.2016 enthaltene Aufrechnungserklärung wegen unterbliebener Beifügung einer Originalvollmacht zurückgewiesen habe. Deshalb sei die Aufrechnungserklärung gem. § 174 S. 1 BGB unwirksam.
Die Zurückweisung der Aufrechnungserklärung war nach den weiteren Ausführungen des OLG auch fristgerecht, weil sie in Anwendung der Bestimmung des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB unverzüglich erfolgt sei. Aufgrund der Postlaufzeit könne dem Klägervertreter das Schreiben der Beklagtenvertreter vom 18.3.2016 frühestens am 19.3.2016 zugegangen sein. Der Klägervertreter habe jedoch den Mangel der Vollmacht mit Schreiben vom 24.3.2016 beanstandet und innerhalb einer Frist von fünf Tagen reagiert. Die Rechtsprechung setze jedoch ei...