Das OLG Frankfurt hat mit wenigen Worten die Nachfestsetzung als zulässig angesehen. Bei vergessenen oder zu niedrig geltend gemachten Positionen sei nämlich die Nachliquidation ungeachtet der Rechtskraft des früheren KFB vom 13.11.2015 zulässig. Dies ist allerdings nicht ganz unproblematisch.
Die materielle Rechtskraft des KFB – hier des KFB der Rechtspflegerin des LG Frankfurt vom 13.11.2015 – steht nämlich einer erneuten Kostenfestsetzung dann entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]; BGH BRAGOreport 2003, 57 [ders.] = JurBüro 2003, 260). Versehentlich in einem ersten Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemachte Posten sind demgegenüber der Nachliquidation zugänglich (BVerfG NJW 1995, 1886; BGH NJW 2009, 3104; FamRZ 2011, 1222; BGH RVGreport 2011, 28 [Hansens] = zfs 2011, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 580 mit zust. Anm. N. Schneider; OLG München MDR 2003, 55; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Celle AGS 2010, 582 mit zust. Anm. N. Schneider; LG Trier JurBüro 2012, 250; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 104 Rn 21 „Nachliquidation“ m.w.N.).
Hinweis:
Ob ein Fall der zulässigen Nachliquidation vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hat der Erstattungsberechtigte in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag erkennbar seinen gesamten Erstattungsanspruch geltend gemacht, gibt er damit zu erkennen, dass er eben diesen ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben will. In einem solchen Fall sollte kein Rest zurückgestellt werden, der einer Nachforderung und damit einer Nachfestsetzung zugänglich gewesen wäre. Über diesen Anspruch hat dann der Rechtspfleger rechtskräftig entschieden (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]).
aa) Nachfestsetzung unzulässig
Damit ist eine Nachfestsetzung in folgenden Fällen unzulässig:
- Die erstattungsberechtigte Partei stellt nach gesetzlicher Änderung der Zinshöhe einen Antrag auf Ergänzung der Verzinsung des Erstattungsbetrags (BGH BRAGOreport 2003, 57 [Hansens] = NJW 2003, 1462 = JurBüro 2003, 260).
- Der Nachfestsetzungsantrag wird auf einen höheren Gegenstandswert gestützt als im ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag zugrunde gelegt. In dem vom BGH (RVGreport 2011, 309 [Hansens] = AGS 2011, 566 m. Anm. N. Schneider) entschiedenen Fall wurde unter Ansatz eines weit höheren Gegenstandswertes als in dem beschiedenen Kostenfestsetzungsantrag eine um rund 90.000 EUR höhere Verfahrensgebühr geltend gemacht. Wird versehentlich ein zu niedriger Gegenstandswert angesetzt, so kann dies nach Rechtskraft des KFB im Regelfall nicht durch einen Nachfestsetzungsantrag korrigiert werden.
- Eine Nachfestsetzung ist auch dann unzulässig, wenn die erstattungsberechtigte Partei in ihrem Kostenfestsetzungsantrag irrtümlich von der Geltung des alten Gebührenrechts ausgegangen ist (a.A. OLG Köln RVGreport 2016, 380 [Hansens] = zfs 2016, 588 m. Anm. Hansens = AGS 2016, 473). Mit einem Nachfestsetzungsantrag kann dann nicht mehr die sich aus dem neuen Gebührenrecht ergebende Gebührendifferenz geltend gemacht werden. Auch hier steht die Rechtskraft des KFB der Nachfestsetzung entgegen (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens] = AGS 2011, 566 für die Nachliqidation nach einem höheren Gegenstandswert; a.A. OLG Hamburg MDR 1979, 235).
bb) Nachfestsetzung zulässig
Demgegenüber wird trotz der eingetretenen Rechtskraft des KFB die Nachfestsetzung in folgenden Fallgestaltungen für zulässig erachtet:
- Es wird die Nachfestsetzung einer Erörterungsgebühr nach antragsgemäßer Festsetzung der Prozess- und der Vergleichsgebühr beantragt (KG Rpfleger 1976, 366). Dies gilt auch für andere „vergessene“ Gebühren wie etwa die Einigungsgebühr.
- Die erstattungsberechtigte Partei beantragt die Nachfestsetzung der auf die Gebühren und Auslagen entfallenen Umsatzsteuer, deren Festsetzung sie zuvor wegen vermeintlicher Vorsteuerabzugsberechtigung nicht beantragt hatte (OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Naumburg RVGreport 2014, 242 [Hansens]).
- Es wird die Nachfestsetzung des Anrechnungsbetrags der Geschäftsgebühr beantragt, sofern im Kostenfestsetzungsverfahren zunächst nur die um den Anrechnungsbetrag verminderte Verfahrensgebühr geltend gemacht wurde (BGH RVGreport 2011, 28 [Hansens] unter Aufhebung von OLG Dresden RVGreport 2010, 193 [ders.]; OLG Köln RVGreport 2009, 354 [ders.]). Die Nachfestsetzung ist in einem solchen Fall jedoch dann nicht zulässig, wenn der Rechtspfleger/Urkundsbeamte der Geschäftsstelle vor Einführung des § 15a Abs. 2 RVG den Antrag auf Festsetzung der unverminderten Verfahrensgebühr teilweise zurückgewiesen und den Anrechnungsbetrag abgesetzt hat. In diesem Fall steht die Rechtskraft der Entscheidung der Nachfestsetzung des Anrechnungsbetrags entgegen. Die erstattungsberechtigte Partei hätte dann gegen die Absetzung des Anrechnungsbetrags rechtzeitig Erinnerung/sofortige Beschwerde einlegen müssen.
- Es wird die Nachfestsetzung einer bisher nicht geltend gemachten Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAG...