Für seine Auffassung hat sich das LSG Schleswig-Holstein auf folgende Argumente gestützt:
aa) Wartezeit bis 15 Minuten
Eine Wartezeit von 15 Minuten bis zu dem tatsächlichen Beginn des Verhandlungstermins ist nach Auffassung des LSG Schleswig-Holstein (NZS 2015, 718) noch als üblich und entschädigungsfrei hinzunehmen. Hier hatte jedoch die Wartezeit 1 ½ Stunden betragen und war auch nicht von dem Rechtsanwalt verschuldet worden, sondern in den Verantwortungsbereich des SG Kiel gefallen. Wenn somit eine dem Anwalt nicht zurechenbare und maßgebliche Verzögerung des Verhandlungsbeginns vorliegt, darf diese nach Auffassung des LSG Schleswig-Holstein bei der Bemessung jedenfalls dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sich eine mündliche Verhandlung, ein Erörterungs- oder ein Beweisaufnahmetermin anschließen.
bb) Wartezeit der Terminsgebühr zuzuordnen
Bei der Wartezeit – auch ab der in der Ladung mitgeteilten Uhrzeit – handelt es sich nach den weiteren Ausführungen des LSG Schleswig-Holstein noch nicht um einen Termin im Sinne des Gebührentatbestands. Es bestehe jedoch ein enger zeitlicher, örtlicher und verfahrenstechnischer Zusammenhang mit der Verhandlung, der es nicht opportun erscheinen lasse, die zeitliche Inanspruchnahme des Rechtsanwalts bei der Vergütung gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Die Wartezeit sei nämlich durch die Ladung veranlasst und stehe in engem Zusammenhang mit dem Termin, für den die Terminsgebühr bestimmt sei. Deshalb sei es am ehesten gerechtfertigt, diese Wartezeit der Terminsgebühr zuzuordnen.
Dem steht nach Auffassung des LSG Schleswig-Holstein nicht entgegen, dass ein Verhandlungstermin nach Aufruf der Sache (§ 112 Abs. 1 SGG) beginnt und mit der Erklärung der Schließung des Termins (§ 121 SGG) endet. Denn dies gebe für die Bestimmung der Gebührenhöhe nichts her. Auch dem Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung, nach dem die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin entsteht, könne nicht entnommen werden, dass Wartezeiten vor dem Termin bei der Bemessung der Höhe der Terminsgebühr nicht berücksichtigt werden dürften, wenn ein entsprechender Gerichtstermin tatsächlich stattgefunden habe.
cc) Berücksichtigung aller Anwaltstätigkeiten
Zu berücksichtigen sind nach Auffassung des LSG Schleswig-Holstein bei der Ermittlung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit nach § 14 Abs. 1 RVG grundsätzlich alle Tätigkeiten, für die der Rechtsanwalt Zeit aufwenden muss. Dies gelte ohne Weiteres auch für das Warten auf den Beginn der Verhandlung. Das LSG Schleswig-Holstein hat darauf hingewiesen, dass sich ein Anwalt bei einer derartigen Verzögerung i.d.R. ständig bereitzuhalten habe, um einem Aufruf der Sache folgen zu können. In dieser Wartezeit könne der Rechtsanwalt auch kaum einmal andere berufsbezogene Tätigkeiten effizient ausüben. Dies gelte insbesondere dann, wenn – wie hier – die Mandantin persönlich anwesend gewesen sei und eine umfangreiche Beweisaufnahme durch die Vernehmung von drei Sachverständigen bevorstehe. In einer solchen Situation werde sich ein Rechtsanwalt dem Gespräch mit seiner Mandantin kaum entziehen können und die Wartezeit nutzen, um den unmittelbar bevorstehenden Termin nochmals im Hinblick auf die streitentscheidenden Weichenstellen intensiver vorzubereiten.
dd) Verweis auf die Gebühren in Strafsachen
Ferner hat das LSG Schleswig-Holstein darauf hingewiesen, dass in Strafsachen bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung nach weitgehend einhelliger Auffassung der Obergerichte Wartezeiten des Strafverteidigers mitgerechnet würden. Zwar werde dies aus Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG hergeleitet, wonach die Terminsgebühr für den Strafverteidiger auch dann entsteht, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen jedoch nicht stattfindet. Wenn danach der Rechtsanwalt sogar für einen „geplatzten“ Termin eine Vergütung erhält, muss dies nach den weiteren Ausführungen des LSG Schleswig-Holstein erst Recht für sonstige Wartezeiten anlässlich eines tatsächlich stattfindenden Termins gelten (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Aufl., Nr. 4208 bis 4222 VV RVG Rn 25, 26). Auch wenn für die Gebühren in sozialgerichtlichen Angelegenheiten keine der Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG entsprechende Regelung existiert, habe die zeitliche Dauer der Inanspruchnahme eines beigeordneten Rechtsanwalts für die Terminswahrnehmung auch im Sozialrecht eine besondere Bedeutung bei der Terminsgebühr.