1. Sozialgerichtliches Verfahren: Berücksichtigung von Wartezeiten bei der Bemessung der Terminsgebühr
Hat der Prozessbevollmächtigte einer Partei in einem sozialgerichtlichen Verfahren den Gebührentatbestand der Terminsgebühr erfüllt, so löst dies die im Gesetz dafür vorgesehene Gebühr aus. Berechnen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, kommt es wegen des Pauschcharakters der Gebühren auf den Umfang der von dem Prozessbevollmächtigten entfalteten Tätigkeit nicht an. Dies gilt grundsätzlich auch in sozialgerichtlichen Verfahren. Anders ist dies jedoch in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist und in denen deshalb gem. § 3 Abs. 1 S. 1 RVG Betragsrahmengebühren entstehen. Bei solchen Rahmengebühren bestimmt nämlich der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, zu denen vor allem der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit gehört. Für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist wiederum der von dem Rechtsanwalt im Rahmen der betreffenden Gebühr entfaltete Zeitaufwand maßgebend. Gegenstand des Beschlusses des LSG Schleswig-Holstein (ZAP EN-Nr. 146/2017 = RVGreport 2017, 176 [Hansens] = AGS 2017, 109 = AnwBl. 2017, 449) war die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Wartezeiten des Prozessbevollmächtigten für die Bemessung der Terminsgebühr zu berücksichtigen sind.
a) Gebührentatbestand
Auch für die in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit als Betragsrahmengebühr entstehende Terminsgebühr gilt der in Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG niedergelegte Grundsatz, dass die Terminsgebühr für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen und für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen entsteht, wenn im VV RVG nichts anderes bestimmt ist. Der Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein lag die bis zum 31.7.2013 geltende Fassung des RVG zugrunde. Nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG a.F. entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin. Für die hier vorliegende Fallgestaltung kam es allerdings hinsichtlich des Anfalls der Terminsgebühr auf die unterschiedlichen Fassungen des RVG nicht an. Nach Nr. 3106 VV RVG in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung fällt die Terminsgebühr mit einem Gebührenrahmen von 20 bis 380 EUR (Mittelgebühr: 200 EUR) an. Im nachfolgend erörterten Fall hatte der der Klägerin im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt im Rahmen der Festsetzung der ihm aus der Landeskasse zustehenden Vergütung die Terminsgebühr als Höchstgebühr, mithin mit einem Betrag i.H.v. 380 EUR, geltend gemacht.
b) Fall des LSG Schleswig-Holstein
In dem vor dem SG Kiel geführten Rechtsstreit (betr. die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung) war der Rechtsanwalt der Klägerin durch Beschluss vom 12.12.2012 im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordnet worden. Das SG hatte Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf den 6.6.2013, 11:15 Uhr anberaumt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde die Sache erst um 12:46 Uhr aufgerufen und die mündliche Verhandlung um 13:25 Uhr geschlossen. Der Rechtsstreit endete durch Klagerücknahme nach erfolgter Beweisaufnahme, bei der zwei medizinische Sachverständige und ein berufskundiger Sachverständiger vernommen wurden.
Im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung hat der Rechtsanwalt den Ansatz der mit dem Höchstbetrag von 380 EUR geltend gemachten Terminsgebühr mit der Länge der von ihm unverschuldeten Wartezeit bis zum Aufruf der Sache begründet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) hat dem Rechtsanwalt lediglich eine Terminsgebühr i.H.v. 200 EUR gewährt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Terminsgebühr decke nur die Vertretung in einem Termin ab, so dass die Wartezeiten nicht zu berücksichtigen seien.
Die hiergegen von dem Rechtsanwalt eingelegte Erinnerung hat das SG Kiel zurückgewiesen und dies u.a. damit begründet, dass die Terminsgebühr nur für die Vertretung in einem Verhandlungstermin entstehe. Dem Worte „in“ sei eindeutig zu entnehmen, dass die anwaltliche Vertretung außerhalb des Termins nicht zu berücksichtigen sei. Die gegen den sozialgerichtlichen Beschluss eingelegte Beschwerde des Rechtsanwalts hatte beim LSG Schleswig-Holstein dem Grunde nach Erfolg. Allerdings ist das LSG der Bemessung der Terminsgebühr auf 380 EUR durch den Rechtsanwalt nicht gefolgt. Es hat ihm lediglich eine Terminsgebühr i.H.v. 266,67 EUR zugesprochen.
c) Bemessungskriterien für die Terminsgebühr
Für die Bemessung der Terminsgebühr innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Betragsrahmens sind gem. § 14 Abs. 1 RVG sämtliche Umstände maßgeblich. Das LSG Schleswig-Holstein hat die Auffassung des SG Kiel geteilt, dass die Sache hier für den Rechtsanwalt überdurchschnittlich schwierig gewesen ist, weil neben der Erörterung der Sach- und Rechtslage auch eine Beweiserhebung mit mehreren Sachverständigen erfolgt war. Auch die Bedeutung der Sache für die Klägerin sei überdurchschnittlich gewesen. Demgegenüber seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Daneben war auch die Verhandlungsdauer von 39 Minuten zu berücksichtigen. Die Bewertun...