Streitgegenstand des Urteils des BAG vom 23.3.2017 (6 AZR 705/15, NJW 2017, 1895) war der Zeitpunkt, in dem das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis beendet worden ist.
Der Arbeitsvertrag der Parteien enthielt in § 1 die Bezugnahme auf einen Manteltarifvertrag. Dieser bestimmte zweierlei: (1) Die ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses gelten als Probezeit und (2) in den ersten drei Monaten kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden. Danach gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen wegen der Probezeit gem. § 622 Abs. 3 BGB. In § 3 des Arbeitsvertrags war unter der Überschrift "Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses" vorgesehen, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. Zuletzt bestimmte der Arbeitsvertrag:
Zitat
§ 3 Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses
|
1.–3.(...) |
4. |
(...) |
4. |
Die ersten sechs Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses werden als Probezeit vereinbart. |
§ 8 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
1. |
Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende. (...) |
Die Beklagte kündigte durch Schreiben vom 5.9.2014, das dem Kläger am selben Tag zuging, das Arbeitsverhältnis innerhalb der sechsmonatigen Probezeit zum 20.9.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Der Kläger wandte sich gegen die Länge der Kündigungsfrist und beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 5.9.2014 erst zum 31.10.2014 beendet wurde. Das BAG bestätigte das der Klage stattgebende Urteil des Berufungsgerichts.
Nach Auffassung des BAG durfte der Kläger den von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag dahingehend verstehen, dass die dort vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende schon für Kündigungen in der Probezeit gelten sollte. Die Regelungen des Arbeitsvertrags sind AGB, auf die die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB Anwendung finden. Der Inhalt von AGB ist nach einem objektiv generalisierenden Maßstab zu ermitteln, und die AGB sind nach ihrem objektiven Inhalt im typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen.
Im vorliegenden Fall enthielt der Arbeitsvertrag zu einzelnen, dort in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen selbst Regelungen. Dies kann aus Sicht des durchschnittlichen, nicht rechtskundigen Arbeitnehmers, auf den abzustellen ist, so verstanden werden, dass insoweit allein die Bestimmungen im Arbeitsvertrag für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sein sollen. Der Arbeitnehmer darf davon ausgehen, dass andernfalls der Arbeitgeber diese Bestimmung nicht in den Vertrag aufgenommen, sondern es bei der Bezugnahme auf die Tarifregelung belassen hätte.
Unabhängig davon konnte ein nicht rechtskundiger durchschnittlicher Arbeitnehmer allein der – etwaigen – Vereinbarung einer Probezeit in einem vom Arbeitgeber formulierten Arbeitsvertrag nicht entnehmen, dass in der Probezeit die zweiwöchige Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB gelten soll. Allerdings gilt diese Kündigungsfrist grundsätzlich ohne besondere Vereinbarung, wobei es den Arbeitsvertragsparteien jedoch freisteht, auch für die Kündigung in der Probezeit längere Kündigungsfristen zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung haben die Parteien nach Auffassung des Senats dadurch getroffen, dass in einer anderen Klausel des Arbeitsvertrags unter der Überschrift "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" eine längere Kündigungsfrist festgelegt ist, aus der nicht ersichtlich ist, dass diese einzige ausdrückliche Kündigungsfristenregelung erst nach Ablauf der Probefrist geltend soll.
Hinweise:
1. |
Der Sechste Senat bestätigt seine und die Rechtsprechung des Zweiten Senats: Die (korrekte) Dauer der Kündigungsfrist kann nach Ablauf der dreiwöchigen Klageerhebungsfrist des § 4 KSchG geltend gemacht werden, weil sich die Kündigung als Erklärung mit der rechtlich gebotenen Kündigungsfrist auslegen lässt (BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, Rn 69 ff., m.w.N.). |
2. |
Maßstab ist der nicht rechtskundige durchschnittliche Arbeitnehmer. Aus dessen Sicht folgt die Unwirksamkeit aus zwei Gründen: (1) Die doppelte Vergabe der Ziff. 4 in § 3 des Arbeitsvertrags lässt auf ein Versehen der darin erfolgten Bestimmung einer Probezeit bei Aufnahme in den vorformulierten Vertragstext der Beklagten schließen. (2) Aus der systematisch (falschen) Stellung in § 3, der allein Befristungsregelungen enthielt, folgt die Unbeachtlichkeit der Probezeitregelung in der zweiten Ziff. 4 in § 3 des Arbeitsvertrags. |
3. |
Selbst wenn man – entgegen dem BGH (zum Vorrang der Auslegung vor der Prüfung der Intransparenz vgl. BGH, Urt. v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, Rn 32; BGH, Urt. v. 9.3.2005 – VIII ZR 17/04, zu II. 2. der Gründe) – der Ansicht folgte, der Arbeitsvertrag unterfal... |