1 Umfangreiche Änderungen im Strafprozessrecht geplant
Bundesjustizministerin Katarina Barley will bis Ende 2018 Eckpunkte für eine Reform des Strafprozessrechts vorlegen. Das sagte sie anlässlich ihrer Teilnahme an der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Berlin (s. dazu auch die nachstehende Meldung).
Die geplanten Maßnahmen sind Teil des von der Regierungskoalition angestrebten "Pakts für den Rechtsstaat" mit den Bundesländern. Dieser soll neben gesetzlichen Regelungen u.a. auch eine personelle und finanzielle Unterstützung der Bundesländer enthalten. So ist in den nächsten Jahren die Schaffung von 2.000 neuen Richterstellen und 15.000 neuen Stellen für die Polizei vorgesehen. Auch soll die Digitalisierung in der Justiz schneller vorangetrieben werden.
Eines der geplanten "Maßnahmenbündel", die noch bis Jahresende auf den Weg gebracht werden sollen, betrifft Änderungen im Strafprozessrecht. Hier will das Justizministerium in Kürze ein Eckpunktepapier vorliegen, das folgende Ziele hat:
- Bei der Vernehmung von Missbrauchsopfern sexueller Gewalt soll besonders Wert auf einen sensiblen Umgang mit den Betroffenen gelegt werden. Weitere Traumatisierungen und Leid könnten so verhindert werden. Dazu soll es allen erwachsenen Opfern von Sexualdelikten ermöglicht werden, eine Videoaufzeichnung der richterlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung zu verwenden. Wenn Opfer angstfrei über ihre furchtbaren Erlebnisse reden können, so die Begründung, erleichtere dies auch die Strafverfolgung.
- Die DNA-Analyse im Strafverfahren soll auf äußerliche Merkmale und das Alter ausgeweitet werden. Dabei soll sichergestellt werden, dass die verfassungsmäßigen Grenzen hinsichtlich des Kernbereichsschutzes eingehalten werden.
- Geplant ist auch, den Verfahrensbeteiligten in Gerichtsverhandlungen ausdrücklich zu verbieten, ihr Gesicht ganz oder teilweise zu verhüllen, wenn dieses Verbot zur Identitätsfeststellung oder zur Beurteilung des Aussageverhaltens notwendig ist und keine medizinischen Gründe vorliegen, die gegen ein Verhüllungsverbot sprechen.
- In umfangreichen Strafverfahren soll die Bündelung der Interessensvertretung mehrerer Nebenkläger ermöglicht werden.
- Die Standards für die Beeidigung von Gerichtsdolmetschern sollen vereinheitlicht werden.
- Die Fristen zur Unterbrechung der Hauptverhandlung im Hinblick auf Mutterschutz und Elternzeit werden harmonisiert. So soll einerseits die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet und andererseits das "Platzen" von Prozessen verhindert werden.
- Die Ablehnung von Befangenheitsanträgen wird den Plänen zufolge durch eine neue Fristenregelung erleichtert. Auch "missbräuchlich gestellte" Beweisanträge sollen künftig einfacher abgelehnt werden können.
- Besetzungsrügen sollen künftig vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung endgültig durch ein Beschwerdegericht beschieden und auf diese Weise der Revision entzogen werden.
Auch für das materielle Strafrecht sind im Zuge des Rechtsstaatspakts Änderungen geplant, insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht. Dazu erläuterte die Ministerin: "Wirtschaftskriminalität werden wir sehr viel härter ahnden als bisher. Unternehmen werden sich nicht länger ihrer Verantwortung entziehen können, in dem sie auf die Einzelverantwortlichkeit von Mitarbeitern verweisen. Wenn massenhafter Betrug oder andere Straftaten aus einem Unternehmen heraus begangen, gefördert und gedeckt werden, wird künftig auch das Unternehmen selbst wesentlich stärker belangt werden können."
[Quelle: BMJV]
2 Beschlüsse der Herbst-Justizministerkonferenz
Mitte November fand in Berlin die diesjährige Herbstkonferenz der Justizminister des Bundes und der Länder statt. Schwerpunkte der Tagung waren diesmal der Reformbedarf im Zivil-, im Verwaltungs- und im Strafprozessrecht. Daneben war auch der von der Bundesregierung angestrebte "Pakt für den Rechtsstaat" (s. dazu die vorstehende Meldung) ein Thema in Berlin. Die wichtigsten Beschlüsse der Justizministerkonferenz sind nachstehend zusammengefasst.
Lastenverteilung beim "Pakt für den Rechtsstaat"
Die Länderminister begrüßten die Absicht der Bundesregierung, einen Pakt für den Rechtsstaat zu schließen, zu dessen Bestandteilen auch zahlreiche neue Richterstellen in den Ländern mit entsprechendem "Folgepersonal" sowie die konsequente und einheitliche Digitalisierung der Justiz in allen Bereichen zählen. Sie stellten aber auch klar, dass der Pakt nur gelingen kann, wenn der Bund den wesentlichen Teil der Finanzierung übernimmt. Aus diesem Grund wird die Bundesregierung gebeten, hier die notwendigen Maßnahmen in die Wege zu leiten.
Reformbedarf im Zivilprozessrecht
Die Ressortchefs halten es für wichtig, dass die in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Zivilprozessualer Reformbedarf" und weiteren Länderarbeitsgruppen begonnene Prüfung und Erarbeitung von Reformvorschlägen fortgeführt und hierbei insbesondere in den Blick genommen werden sollte, ob der individuelle Rechtsschutz des Bürgers und das Verfahren bei wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten unter effektivem Einsatz der Ressourcen noch weiter verbessert werden können. Mit Blick auf ...