Bei einem Kreuzungszusammenstoß zwischen einem Sonderrechtsfahrzeug (Feuerwehr-, Polizei- oder Krankenwagen), das die Sonderrechte gem. § 35 StVO in Anspruch nimmt und deshalb bei Rotlicht oder aus einer untergeordneten Straße in die Kreuzung einfährt, und einem an sich vorfahrtsberechtigten Fahrzeug kommt es für die Haftungsverteilung u.a. auf die Geschwindigkeit und die Betätigung der Warnsignale (§ 38 Abs. 1, 2 StVO) durch das Sonderrechtsfahrzeug einerseits und auf die Erkennbarkeit und das Fahrverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers andererseits an.
Bei einem Zusammenstoß auf einer ampelgeregelten Kreuzung ist im Grundsatz von einer hälftigen Schadensteilung auszugehen, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat (OLG Brandenburg NZV 2011, 26 [50 %]; OLG Nürnberg VRS 103, 321 [80 %]). Bei einer höheren Geschwindigkeit liegt i.d.R. die überwiegende Mitverursachung bis hin zur Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs (OLG Celle NZV 2012, 171 [100 %]; OLG Düsseldorf NJW 2018, 1694 [80 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 76, 77). Steht die Geschwindigkeit des Sonderrechtsfahrzeugs nicht fest, kommt i.d.R. eine Mithaftung seines Halters von 50–75 %, u.U. auch zu 100 % in Betracht (BGHZ 63, 327 = NJW 1975, 648 [50 %]; KG NZV 2008, 149 [100 %]). Hat das Sonderrechtsfahrzeug die Warnsignale nur teilweise eingeschaltet, ist i.d.R. von seiner Alleinhaftung auszugehen (KG NZV 2003, 382; OLG Köln NZV 1996, 23; OLG Düsseldorf NZV 2017, 233 [50 %]).
Hinweis:
Ein Missbrauch der Warnsignale führt nicht zwangsläufig zu der Alleinhaftung des Sonderrechtsfahrzeugs, da die Sonderrechte des § 35 StVO aus Gründen der Rechtssicherheit unabhängig von dem Vorliegen eines Einsatzfalls bestehen. Allerdings wird in diesen Fällen i.d.R. das Sonderrechtsfahrzeug zumindest eine hälftige Mitverantwortung treffen (OLG Düsseldorf NZV 1992, 489 [67 %]; OLG Dresden NZV 2001, 429 [67 %]).
Bei der Einfahrt in eine durch Vorfahrtzeichen geregelte Kreuzung kann der Fahrer des Sonderrechtsfahrzeugs darauf vertrauen, dass der vorfahrtsberechtigte Verkehr sein Sonderrecht eher beachten wird als bei der Einfahrt in eine ampelgeregelte Kreuzung, so dass der Haftungsanteil des Einsatzfahrzeugs im Vergleich zu der vorstehenden Fallgruppen jeweils niedriger bemessen werden kann (Grüneberg, a.a.O., Rn 82 und zu Sonderfällen Rn 83 f.).