1. Regelung durch Lichtzeichenanlage
Beim Überfahren des Rotlichts hat i.d.R. derjenige Kraftfahrer, der das Rotlicht einer Verkehrsampel missachtet, für den dadurch verursachten Schaden einzustehen (KG NZV 2007, 142; OLG Celle NZV 2012, 171). Eine Mithaftung des anderen Verkehrsteilnehmers von 25 % wird dann in Betracht kommen, wenn er mit "fliegendem Start" oder mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung einfährt (KG VM 1989, 78; VersR 1979, 356; OLG Hamburg VersR 1976, 737).
Wer die Ampel nach dem Wechsel von Grün auf Gelb passiert, weil er nicht mehr rechtzeitig anhalten kann, haftet nicht oder nur mit einem geringeren Haftungsanteil, da in diesen Fällen aufgrund der ausreichend langen Gelbphasen der andere Verkehrsteilnehmer vorzeitig in die Kreuzung eingefahren sein muss (BGH VersR 1961, 375; OLG Köln VersR 1965, 906).
Bei einem Unfall mit einem Fahrzeug des rückstauenden Querverkehrs ist im Regelfall eine Schadensteilung vorzunehmen, da beide Verkehrsteilnehmer ohne die nötige Vorsicht in die Kreuzung eingefahren sind. Der Kfz-Fahrer des rückstauenden Querverkehrs darf zwar bevorrechtigt noch die Kreuzung räumen, hat dabei aber auf den bereits seitlich einfahrenden Verkehr zu achten, während der Fahrer des anderen Fahrzeugs dem rückstauenden Querverkehr die Räumung der Kreuzung ermöglichen muss und nicht wegen des für ihn geltenden Grünlichts ohne Rücksicht mit sog. fliegendem Start in die Kreuzung einfahren darf.
Bei einer ungeklärten Ampelstellung kommt i.d.R. nur eine Schadensteilung im Verhältnis 1:1 in Betracht (OLG Frankfurt NJW-RR 2013, 664). Beim Ausfall der Lichtzeichenanlage kommt es für die Bemessung des Haftungsverteilung darauf an, wie lange die Ampel bereits ausgefallen ist, ob ein erst kurzfristiger Ausfall für die Verkehrsteilnehmer erkennbar war und welche Verkehrsregelung an der betreffenden Kreuzung ansonsten getroffen worden ist (vgl. OLG Hamm VersR 1989, 755; AG Köln NJW-RR 1988, 28; Grüneberg, a.a.O., Rn 5).
2. Regelung durch Vorfahrtzeichen
Im Regelfall ist von der Alleinhaftung des Verkehrsteilnehmers auszugehen, der das Vorfahrtrecht missachtet hat (BGH NJW 2014, 3097; KG NZV 2004, 576; Grüneberg, a.a.O., Rn 8 f.). Eine Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten kann vor allem in folgenden Fallgruppen in Betracht kommen:
- Irreführende Fahrweise des Vorfahrtsberechtigten: Bei einer irreführenden Fahrweise des Vorfahrtsberechtigten, wie z.B. bei einer Geradeausfahrt trotz eingeschaltetem Blinker, ist von dessen Mithaftung auszugehen (OLG Dresden NZV 2015, 246 [30 %]; OLG Düsseldorf DAR 2016, 648 [33 %]; OLG München NZV 2009, 457 [35 %]).
Überhöhte Geschwindigkeit des Vorfahrtsberechtigten: Eine Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten ist grundsätzlich in Betracht zu ziehen, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat oder für die Sichtverhältnisse zu schnell gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO). Dabei wird mit zunehmender (prozentualer) Geschwindigkeitsüberschreitung auch der Haftungsanteil des Vorfahrtsberechtigten zunehmen, wobei sich schematische Lösungen verbieten, da stets auch die übrigen Umstände (Fahrzeugart, Unfallörtlichkeit, Straßenverhältnisse, Erkennbarkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung einerseits bzw. der Vorfahrtverletzung andererseits, etc.) zu berücksichtigen sind:
- Bei Geschwindigkeitsübertretung von unter 10 % bzw. bis 5 km/h wird i.d.R. eine Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten nicht in Betracht kommen (BGH VersR 1967, 802; OLG Hamm DAR 2001, 506).
- Bei einer Geschwindigkeitsübertretung von 10–30 % ist i.d.R. eine Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten von 1/5 bis 1/3 anzunehmen (BGH VersR 1958, 217 [33 %]; KG NZV 2000, 377 [25 %]; OLG Hamm DAR 1999, 405 [33 %]).
- Bei einer Geschwindigkeitsübertretung von 30–50 % kann je nach den übrigen Umständen, insbesondere der Sichtweite an der Unfallstelle, bereits die Alleinhaftung des Vorfahrtsberechtigten, andererseits aber durchaus auch noch diejenige des Wartepflichtigen, in Betracht kommen (OLG Köln VersR 1999, 1035 [75 %]).
- Bei einer Geschwindigkeitsübertretung von 50–100 % ist i.d.R. eine nicht unerhebliche Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten, bis hin zu seiner Alleinhaftung, anzusetzen (KG DAR 2004, 524 [50 %], OLG Düsseldorf MDR 2015, 1295 [50 %]).
- Bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 100 % und mehr ist i.d.R. von der überwiegenden oder sogar der alleinigen Haftung des Vorfahrtsberechtigten auszugehen (BGH VersR 1971, 179 [75 %]; OLG Hamm NJW-RR 2016, 1123 [70 %]).
- Bei einer überhöhten Geschwindigkeit des Vorfahrtsberechtigten infolge schlechter Sicht, also nicht wegen der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, kommt i.d.R. wegen des Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 S. 2 StVO eine Schadensteilung in Betracht, wobei sich die Haftungsquote nach den Einzelumständen (Grund der Sichtbeeinträchtigung, Erkennbarkeit für den jeweilig anderen Verkehrsteilnehmer, Straßenve...