1. Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot
Befindet sich ein Fahrzeug vollständig auf der Gegenfahrbahn, stellt dies einen (erheblichen) Verstoß gegen das in § 2 Abs. 2 StVO niedergelegte Rechtsfahrgebot dar und führt i.d.R. zur Alleinhaftung des verkehrswidrig fahrenden Fahrzeugs. Eine Mithaftung des entgegenkommenden Fahrzeugs in Höhe der einfachen Betriebsgefahr ist allerdings z.B. bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder bei Alkoholeinfluss seines Fahrers in Betracht zu ziehen (BGH NJW 1990, 1850; OLG Hamm NJW-RR 2016, 405; Grüneberg, a.a.O., Rn 205 u. 207).
Hinweis:
Wer vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis (z.B. von rechts einbiegendes Fahrzeug, auf die Fahrbahn laufendes Tier) auf die Gegenfahrbahn ausweicht, hat bei einem Begegnungszusammenstoß i.d.R. ebenfalls die volle Haftung zu tragen; eine Mithaftung des entgegenkommenden Fahrzeugs kann aber z.B. bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder bei einer rechtzeitigen Erkennbarkeit der Situation in Betracht kommen (BGH VersR 1976, 343; KG VersR 1978, 744; Grüneberg, a.a.O., Rn 206).
Wer mit seinem Fahrzeug über die Mittellinie kommt, verstößt gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO und hat i.d.R. den weit überwiegenden oder sogar alleinigen Haftungsanteil zu tragen. Eine Mithaftung des entgegenkommenden Fahrzeugs kommt vor allem bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder bei einem Fehlverhalten seines Fahrers trotz rechtzeitiger Erkennbarkeit der unfallträchtigen Verkehrssituation in Betracht (BGH VersR 1961, 809; OLG Jena NZV 2002, 125 [33 %]; OLG Schleswig NZV 1991, 431 [40 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 208–210).
Fährt ein Fahrzeug in Schlangenlinien, muss hierauf der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs angemessen reagieren, so dass bei einem Zusammenstoß u.U. seine Mithaftung in Höhe der einfachen Betriebsgefahr in Betracht zu ziehen ist (BGH VersR 1962, 616 [25 %]; VersR 1958, 484 [20 %]). Bei einem Fahrzeug mit Überbreite ist zu beachten, dass diesem Fahrzeug aufgrund dessen eine erhöhte Betriebsgefahr anzulasten ist, die nicht ohne Weiteres hinter ein Verschulden des Fahrers des entgegenkommenden Fahrzeugs zurücktritt (Grüneberg, a.a.O., Rn 212).
Fahren beide Fahrzeuge in der Straßenmitte und verstoßen somit beide Fahrer gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO, ist i.d.R. eine Schadensteilung vorzunehmen, wobei der höhere Haftungsanteil dem Fahrzeughalter anzulasten ist, dessen Fahrzeug die höhere Betriebsgefahr trägt oder dessen Fahrer in stärkerem Maße gegen das Rechtsfahrgebot verstößt (Grüneberg, a.a.O., Rn 214).
Bei einem Begegnungszusammenstoß mit ungeklärtem Unfallverlauf ist i.d.R. eine Schadensteilung entsprechend den beiderseitigen Betriebsgefahren vorzunehmen (BGH VersR 1966, 732; OLG München NJW 2017, 2838; Grüneberg, a.a.O., Rn 194).
2. Kollision in einer Engstelle
Bei einem Begegnungszusammenstoß in einer Engstelle, an der Gegenverkehr möglich ist, ist im Grundsatz von der alleinigen Haftung desjenigen Verkehrsteilnehmers auszugehen, auf dessen Fahrbahnhälfte sich die Verengung befindet (§ 6 StVO); eine Mithaftung des entgegenkommenden Fahrzeugs kommt aber z.B. dann in Betracht, wenn dessen Fahrer in der Engstelle zu schnell fährt, zu spät reagiert oder noch weiter rechts hätte fahren können (BGH VersR 1968, 357; BGH VersR 1959, 620 [25 %]; OLG Brandenburg NJW-RR 2017, 862 [40 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 203).
Ist in einer Engstelle nur einspuriger Verkehr möglich, hat grundsätzlich derjenige Verkehrsteilnehmer Vorfahrt, der die Engstelle zuerst erreicht, so dass bei einem Zusammenstoß i.d.R. den anderen Verkehrsteilnehmer die überwiegende Haftung treffen wird; insoweit ist allerdings zu beachten, dass bei einem Unfall in einer solchen Konstellation oftmals eine beiderseitige Mitverursachung mit der Folge einer Schadensteilung vorliegen wird (Grüneberg, a.a.O., Rn 204).
Bei einem Begegnungszusammenstoß infolge einer vorübergehenden Fahrbahnverengung, z.B. wegen parkender Autos oder wegen eines sonstigen Verkehrshindernisses, ist i.d.R. von der überwiegenden oder sogar alleinigen Haftung des Verkehrsteilnehmers auszugehen, auf dessen Fahrbahnhälfte sich das Verkehrshindernis befindet, da er den Vorrang des Gegenverkehrs missachtet hat (§ 6 S. 1 StVO; BGH VersR 1966, 929 [80 %]; OLG Köln MDR 2010, 206 [50 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 195).
Bei einer Mitverursachung des Unfalls durch das entgegenkommende Fahrzeug infolge eines Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO ist i.d.R. dessen Mithaftung zumindest in Höhe der einfachen Betriebsgefahr, u.U. bis zur hälftigen Schadensteilung, in Betracht zu ziehen (BGH VersR 1968, 847 [25 %]; KG VersR 1979, 577 [33 %]; OLG Karlsruhe DAR 2004, 648 [67 %]). Kann der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs die Mitbenutzung seiner Fahrbahnhälfte rechtzeitig erkennen, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern oder weiter rechts zu fahren, kann i.d.R. von einer hälftigen Schadensteilung ausgegangen werden, da er in diesen Fällen auf sein Vorrecht verzichten muss (§ 11 Abs. 3 StVO; OLG Düsseldorf VersR 1971, 88; OLG Karlsruhe VersR 1989, 1289; zu weit...