Ein häufiger Streitpunkt in (Umfangs-)Verfahren ist die Frage der Sitzordnung in der Hauptverhandlung (vgl. dazu eingehend Burhoff, HV, Rn 2704 ff.). Damit hatte sich nun auch der BGH (Beschl. v. 1.8.2018 – 5 StR 228/18, NStZ-RR 2018, 357) zu befassen. Der Angeklagte hatte – betreffend die Vernehmung der Hauptbelastungszeugin – beantragt, "die Sitzordnung dergestalt zu ändern, dass er das Gesicht der Zeugin ununterbrochen sehen kann, bzw. dass die Zeugin den Platz mit der Nebenklägerin tauscht".
Der BGH verneint einen Anspruch des Angeklagten, die Sitzordnung in der Hauptverhandlung so zu gestalten, dass er das Gesicht eines Zeugen bei dessen Vernehmung frontal sehen kann. Zur Begründung führt er aus, dass sich die Sitzanordnung im Gericht zunächst an den baulichen Gegebenheiten des Hauptverhandlungssaals orientieren müsse, die dem Gericht vorgegeben seien. Der Angeklagte könne dabei auf eine umfriedete oder besonders gesicherte Anklagebank verwiesen werden, wenn ansonsten seine Flucht oder eine Störung des Verhandlungsablaufs drohen (vgl. § 176 GVG, Nr. 125 Abs. 2 RiStBV). Von seinem Platz aus müsse der Angeklagte der Hauptverhandlung folgen und seine Verteidigung führen können (OLG Köln NJW 1980, 302). Ihm sei grundsätzlich zu ermöglichen, sich während der Hauptverhandlung mit seinem Verteidiger zu besprechen (BayObLG StraFo 1996, 47; OLG Köln a.a.O.; NJW 1961, 1127; BVerfG NJW 1996, 3268); anderenfalls könne es notwendig sein, zu diesem Zweck die Hauptverhandlung auf Antrag zu unterbrechen. Bei der Vernehmung von Zeugen (und Sachverständigen) sei zunächst entscheidend, dass das den Urteilsspruch verantwortende erkennende Gericht den Zeugen so gut sehe, wie es dies selbst unter Aufklärungsgesichtspunkten für notwendig erachte. Zudem könne erforderlich sein, berechtigten Sorgen von Zeugen im Hinblick auf den Angeklagten oder andere Verfahrensbeteiligte durch eine besondere Sitzanordnung Sorge zu tragen (BGH NStZ 1999, 419; 2015, 103). Soweit danach – sowie im Rahmen der baulichen Gegebenheiten – möglich und mit der Sicherheit und Ordnung im Hauptverhandlungssaal vereinbar, sei den übrigen Verfahrensbeteiligten die optische Teilhabe an der Zeugenvernehmung zu gewähren. Könne dies nicht für alle gleichermaßen geschehen, reiche zur Wahrung der Teilhaberechte des Angeklagten auch aus, einem Verteidiger, was hier geschehen war, eine weitergehende Sicht auf den Zeugen zu ermöglichen. Zur Wahrung des Konfrontationsrechts aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK genüge es grundsätzlich, dass vor Verurteilung eines Angeklagten alle ihn belastenden Beweismittel in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und in seiner Gegenwart erörtert werden, um eine kontradiktorische Prüfung zu ermöglichen. Dies werde nicht dadurch infrage gestellt, dass dem Angeklagten keine frontale Sicht auf einen Zeugen gewährt werde. Gerade bei Umfangsverfahren werde es häufig schon aufgrund der baulichen Verhältnisse unmöglich sein, allen Angeklagten und allen sonstigen Verfahrensbeteiligten einen Blick auf das Gesicht eines Zeugen während dessen Vernehmung zu ermöglichen (Fromm NJW 2013, 982, 983). Führt dies zu einer deutlich eingeschränkten Teilhabe an der Zeugenvernehmung, etwa weil auch die Sicht des Verteidigers auf den Zeugen gravierend behindert sei, könne das Gericht bei vorheriger Beanstandung der Sitzanordnung oder Offensichtlichkeit der Behinderung sein Urteil auf besondere Beobachtungen der Mimik und Gestik eines Zeugen nur stützen, wenn es zuvor den übrigen Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung davon Mitteilung und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Geschehe dies, liege die Verletzung der Grundsätze des fairen Verfahrens oder des Rechts auf eine effektive Verteidigung durch eine Sitzanordnung des Gerichts regelmäßig fern.
Hinweise:
Die Entscheidung fasst die mit der Thematik "Sitzordnung" zusammenhängenden Fragen zusammen und macht Vorgaben, wie mit der Problematik umzugehen ist. Dazu gehört auch, worauf der BGH ausdrücklich hinweist, dass die Beanstandungsobliegenheit nach § 238 Abs. 2 StPO besteht (so auch OLG Köln NJW 1961, 1127), wovon der Angeklagte Gebrauch gemacht habe. Ohne die Beanstandung kann ein Verfahrensverstoß nicht mit der Revision geltend gemacht werden.
Und: Die Entscheidung, wie bei einer Zeugenvernehmung die Sitzanordnung konkret gestaltet wird, hängt von einer Vielzahl von Umständen des Einzelfalls ab, die in der konkreten Situation vor Ort bewertet und gegeneinander abgewogen werden müssen. Derartige Entscheidungen kann das Revisionsgericht nur auf grobe Ermessensfehler überprüfen. Nur wenn die Entscheidung des Gerichts zur Sitzordnung erkennen lässt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht oder grundlegend die Rechtspositionen der Verfahrensbeteiligten verkennt und hierdurch tatsächlich die Mitwirkungsmöglichkeiten des Angeklagten oder seines Verteidigers entscheidungserheblich eingeschränkt wurden, kann und wird ggf. die Rüge nach § 338 Nr. 8 StPO bei Beanstandung der Sitzanordnung Erfolg haben.