1. Ablehnung einer Dolmetscherin
In der Praxis sind Entscheidungen, die sich mit der Ablehnung eines Dolmetschers wegen Besorgnis der Befangenheit befassen nicht so häufig (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn 1 ff.). Deshalb ist das Urteil des BGH vom 4.7.2018 (2 StR 485/17) von Interesse. Der BGH hatte sich nämlich mit einer Verfahrensrüge zu befassen, mit der eine Verletzung von § 191 GVG i.V.m. §§ 74 Abs. 1, 24 Abs. 1 StPO dadurch geltend gemacht wurde, dass das LG die Ablehnung der bei der Vernehmung der Nebenklägerin hinzugezogenen Dolmetscherin wegen Besorgnis der Befangenheit zu Unrecht zurückgewiesen habe. Die Rüge hatte keinen Erfolg:
Der Rüge lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten, dem eine Vergewaltigung der Nebenklägerin vorgeworfen wurde, fand an mehreren Tagen statt. An einem Fortsetzungstermin am 22.5.2017 erschien die Dolmetscherin F. und berief sich auf ihren allgemein geleisteten Dolmetschereid. Sie war sodann bei der Zeugenvernehmung der Nebenklägerin anwesend und übertrug deren Äußerungen aus der polnischen Sprache ins Deutsche. Am 28.6.2017 lehnte der Angeklagte die Dolmetscherin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Diese habe schon am vorangegangenen Verhandlungstag während der Vernehmung der Nebenklägerin dieser den Arm um die Schultern gelegt, um sie zu trösten; am 8.6.2017 habe sie ihr bei einer Fortsetzung der Vernehmung Taschentücher gereicht und gut zugeredet. Außerdem habe sie in Sitzungspausen vor dem Gerichtsgebäude mit der Nebenklägerin und deren anwaltlichen Beistand gesprochen. Schließlich sei die Dolmetscherin am 8.6.2017 nach Abschluss der Vernehmung der Nebenklägerin zwischen 16.32 Uhr und 16.34 Uhr beobachtet worden, wie sie auf einer Treppe neben der Nebenklägerin gesessen, den Arm um diese gelegt und tröstend auf sie eingeredet habe. Schließlich sei zu beanstanden, dass die Dolmetscherin ihre Übersetzung mit Wertungen versehen habe.
Der BGH verweist auf § 191 GVG, wonach für die Ablehnung eines Dolmetschers die Regeln über die Ablehnung eines Sachverständigen entsprechend gelten. Gemäß § 74 Abs. 1 StPO seien auf den Sachverständigen wiederum die Vorschriften über die Richterablehnung entsprechend anzuwenden. Das bedeute, dass – anders als bei der Richterablehnung – das Revisionsgericht an die vom Tatrichter festgestellten Tatsachen gebunden sei (vgl. zur Dolmetscherablehnung BGH NStZ 2008, 50 m.w.N.). Auf der Grundlage sieht der BGH keinen Rechtsfehler bei der Entscheidung über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs. Eine Dolmetscherablehnung sei begründet, wenn vom Standpunkt des Antragstellers aus objektive Gründe bestehen, die Zweifel an der Unparteilichkeit des als Gehilfe des Gerichts herangezogenen Sprachmittlers erregen. Bei der Anwendung dieser Maßstäbe sei allerdings die besondere Funktion und Stellung des abgelehnten Dolmetschers zu berücksichtigen. Einerseits sei dieser verpflichtet, so vollständig und wortgetreu zu übersetzen, dass das rechtliche Gehör der Verfahrensbeteiligten gewahrt bleibt. Andererseits könne seine Tätigkeit von den Verfahrensbeteiligten regelmäßig nur schwer kontrolliert werden mit der Folge, dass deren berechtigtes Vertrauen in die Integrität und Unparteilichkeit des Dolmetschers besonderen Schutzes bedürfe. Danach sei die Annahme des LG, ein Ablehnungsgrund liege nicht vor, rechtlich nicht zu beanstanden. Dafür sei es von Bedeutung, dass die Dolmetscherin in einer besonderen Kommunikationsbeziehung zu der Nebenklägerin stand, deren Äußerungen aus dem Polnischen zu übertragen gewesen seien. Die Nebenklägerin habe sich in einer angespannten psychischen Verfassung befunden, sie habe Weinkrämpfe gehabt und einen Nervenzusammenbruch erlitten. Bei dieser Sachlage sei das LG rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, es sei nur ein Anzeichen von Mitgefühl, wenn die Dolmetscherin der Nebenklägerin den Arm um die Schulter legte und ihr Trost zusprach. Auswirkungen auf die Richtigkeit der Übertragung, die zurzeit der zuletzt beschriebenen Szene bereits beendet gewesen sei, habe das LG ausgeschlossen.
Hinweise:
Ob nicht ggf. doch die Besorgnis der Befangenheit i.S.d. § 24 StPO gegeben war, erscheint mir fraglich. Mir scheint, als habe die Dolmetscherin sich mehr oder zumindest teilweise auch als psychosoziale Prozessbegleiterin gesehen, so dass die Besorgnis (!) der Befangenheit aus Sicht des Angeklagten nicht so fern liegt.
Für die Verfahrensrüge gelten die allgemeinen Regeln der Verfahrensrüge zur Ablehnung. Es sind alle mit der Ablehnung der Dolmetscherin zusammenhängenden Vorgänge vorzutragen (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO).
2. Sitzordnung im Hauptverhandlungssaal
Ein häufiger Streitpunkt in (Umfangs-)Verfahren ist die Frage der Sitzordnung in der Hauptverhandlung (vgl. dazu eingehend Burhoff, HV, Rn 2704 ff.). Damit hatte sich nun auch der BGH (Beschl. v. 1.8.2018 – 5 StR 228/18, NStZ-RR 2018, 357) zu befassen. Der Angeklagte hatte – betreffend die Vernehmung der Hauptbelastungszeugin – beantragt, "die Sitzordnung dergestalt zu ändern, dass er das Gesicht der Zeugin ununterbrochen sehen kann,...