I. Gesetzliche Grundlage

Das Quotenvorrecht hat in der Rechtsschutzversicherung – ebenso wie in allen anderen Versicherungssparten – seine Grundlage in § 86 Abs. 1 S. 2 VVG. Auch bei einer Rechtsschutzversicherung handelt es sich nämlich um eine Schadensversicherung (OLG Köln NJW 1973, 905; AG Köln AGS 2007, 379 = JurBüro 2006, 546 = RVGreport 2007, 198; Harbauer/Schneider, ARB, 9. Aufl. 2018, § 17 ARB 2000 Rn 170 ff.; van Bühren, ARB, 3. Aufl. 2013, § 5 ARB 2010 Rn 106, 171; K. Schneider, Rechtsschutzversicherung für Anfänger, Rn 476 ff.).

Nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG gehen daher Schadenersatzansprüche des Versicherten gegen einen Dritten – hier also materielle und prozessuale Kostenerstattungsansprüche – auf den Versicherer über, soweit dieser die zugrunde liegenden Kosten bezahlt. Der Versicherungsnehmer muss sich dann der Durchsetzung dieser Ansprüche enthalten und dies seinem Versicherer überlassen. Dem Versicherer steht insoweit im Wege der cessio legis ab dem Moment der Zahlung ein Anspruch gegen den Erstattungsschuldner zu.

Werden solche übergegangenen Kostenerstattungsansprüche an den Versicherungsnehmer ausgezahlt, müssen diese Gelder an den Versicherer weitergeleitet werden.

Das Gleiche gilt, wenn solche übergegangenen Kostenerstattungsansprüche an den Anwalt des Versicherungsnehmers ausbezahlt werden. Auch er muss diese Gelder an den Versicherer weiterleiten. Insoweit kann gegen den Auszahlungsanspruch des Versicherers weder mit eigenen Forderungen gegen den Mandanten noch mit Forderungen des Mandanten gegen den Versicherer aufgerechnet werden. Da nach den ARB zudem eine Abtretung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer ausgeschlossen ist (§ 17 Abs. 8 ARB 2010; 4.1.7. ARB 2012), kann sich der Anwalt auch nicht Freistellungs- oder Zahlungsansprüche des Mandanten wirksam abtreten lassen und dann aufrechnen.

§ 86 Abs. 1 VVG enthält allerdings zwei wichtige Einschränkungen des Forderungsübergangs:

  1. Der Forderungsübergang tritt nur insoweit ein, als der Versicherer auch geleistet hat (§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG). Soweit er nicht geleistet hat, etwa weil bestimmte Kostenpositionen nicht versichert sind, geht ein darauf gerichteter Erstattungsanspruch folglich erst gar nicht auf ihn über.
  2. Liegen die Voraussetzungen des Forderungsübergangs nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG vor, dann unterbleibt dieser dennoch, wenn der Übergang zum Nachteil des Versicherungsnehmers erfolgen würde (§ 86 Abs. 1 S. 2 VVG). Von Nachteil für den Versicherungsnehmer wäre ein Forderungsübergang dann, wenn bei ihm noch vom Versicherungsschutz nicht gedeckte Kosten offenstünden und er diese nicht vorab aus der Kostenerstattung entnehmen dürfte.

Vereinfacht ausgedrückt: Zahlt der Rechtsschutzversicherer, gehen entsprechende Kostenerstattungsansprüche i.R.d. Zahlung auf ihn über. Soweit dem Versicherungsnehmer darüber hinaus kongruente Kosten entstanden sind, die nicht unter den Versicherungsschutz fallen (s. hierzu Klaus Schneider, a.a.O., Rn 477), können auch die Erstattungsansprüche wegen dieser Kosten nicht auf den Rechtsschutzversicherer übergehen, sondern bleiben beim Versicherungsnehmer und können von ihm eingezogen werden.

II. Bedeutung für die Praxis

Besondere Bedeutung in der Praxis hat das Quotenvorrecht für:

  • eine vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung,
  • vom Versicherungsschutz nicht gedeckte Reisekosten des Anwalts,
  • vom Versicherungsschutz nicht erfasste Kosten eines Terminsvertreters und
  • vom Versicherungsschutz ohnehin nicht erfasste Parteikosten im Inland.

III. Die verschiedenen Konstellationen

Für die Durchsetzung und Ausübung des Quotenvorrechts sind verschiedene Konstellationen zu beachten.

  • Ergibt sich zugunsten des Mandanten ein einseitiger Kostenerstattungsanspruch (s. IV.) oder ergibt sich nach Kostenausgleichung ein ausreichend hoher Erstattungsanspruch, um die nicht gedeckten Kosten davon zu decken (s. V. 2.), ist die Durchsetzung des Quotenvorrechts relativ einfach.
  • Liegt eine Kostenquotierung zugrunde, bei der dem Versicherungsnehmer zwar ein eigener Kostenerstattungsanspruch zusteht, dieser aber im Wege der Ausgleichung ganz oder teilweise untergeht, ist die Durchsetzung etwas schwieriger (s. V. 3. u. 4).
  • Werden die Kosten gegeneinander aufgehoben, ist wiederum anders zu verfahren (s. VI.).

IV. Volle Erstattungspflicht des Gegners

Soweit die Gegenseite die Kosten in voller Höhe zu tragen hat, wird sich die Frage des Quotenvorrechts in aller Regel nicht stellen, da dann der Mandant seine nicht gedeckten Kosten ohnehin in voller Höhe von der Gegenseite erstattet erhält und ein Forderungsübergang zu seinem Nachteil nicht stattfinden kann.

 

Beispiel 1:

Der Mandant wohnt in München und beauftragt dort einen Anwalt, für ihn vor dem LG Augsburg (Entfernung 71 km) Klage zu erheben. Der Streitwert beläuft sich auf 20.000 EUR. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Der Mandant ist rechtsschutzversichert bei einer Selbstbeteiligung von 200 EUR.

Der Anwalt rechnet wie folgt ab:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG   964,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG   890,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR

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