1. Aufhebungsvertrag: Kein Widerruf; Verletzung des Gebots fairen Verhandelns
Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 7.12.2018 (6 AZR 75/18, NZA 2019, 688, auszugsweise abgedr. in NJW 2019, 1966 mit zustimmender Anm. Bachmann/Ponzen, a.a.O.,1969; s. auch Petersen, Hürden beim Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags, NWB 2019, 1682 und Fischinger, Gebot fairen Verhandelns, NZA 2019, 729) ist der Streit um den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Reinigungshilfe beschäftigt. Am 15.2.2016 suchte der Lebenspartner der Beklagten, welcher tatsächlich deren Geschäfte führt, die Klägerin gegen 17 Uhr in ihrer Wohnung auf und legte ihr einen Aufhebungsvertrag vor. Die Klägerin erklärte hierzu, sie sei an diesem Tage krank gewesen und habe im Bett gelegen, als der Lebenspartner der Beklagten geklingelt habe. Ihr Sohn habe ihn hereingelassen und sie geweckt, den ihr vorgehaltenen Vertrag habe sie unter dem Einfluss von Schmerzmitteln "im Tran" unterschrieben und erst hinterher gemerkt, was sie gemacht habe. Die Beklagte erwiderte, die Klägerin habe am Vormittag des 15.2.2016 telefonisch um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten. Eine krankheits- oder medikamentenbedingte Beeinträchtigung sei bei Vertragsschluss nicht zu bemerken gewesen.
Mit Schreiben vom 17.2.2016 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und Drohung. Hilfsweise werde die Zustimmung zum Vertragsschluss widerrufen. Da die Beklagte an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festhielt, erhob die Klägerin Klage. Die Vorinstanzen haben diese Klage abgewiesen. Die vom LAG zugelassene und eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
Das BAG billigt zunächst die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Aufhebungsvertrag nicht deswegen unwirksam ist, weil die Klägerin die Annahme des entsprechenden Vertragsangebots in einem Zustand vorübergehender Störung ihrer Geistestätigkeit i.S.d. § 105 Abs. 2 Alt. 2 BGB erklärt habe und ihre Willenserklärung deshalb nichtig sei. Der entsprechende Vortrag der Klägerin war für eine solche Annahme nicht ausreichend. Gleiches gilt für die Ansicht des LAG, es bestehe kein Anfechtungsgrund i.S.d. §§ 119 ff. BGB. Die Vereinbarung ist auch nicht gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin unwirksam. Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ausgenommen.
Ein gesetzliches Widerrufsrecht – ein vertragliches Widerrufsrecht hatten die Parteien nicht vereinbart, ein Aufhebungsvertrag ist i.Ü. nicht bereits deshalb unwirksam, weil Arbeitgeber den Arbeitnehmern kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumen, s. bereits BAG 14.2.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811 – gem. § 355 i.V.m. § 312g Abs. 1, § 312b BGB ("Haustürgeschäft") besteht nicht. Das BAG hat bereits zu der bis zum 12.6.2014 geltenden Rechtslage entschieden, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht als Haustürgeschäfte i.S.d. §§ 312 ff. BGB a.F. anzusehen sind.
Nach § 312 Abs. 1 BGB in der ab dem 13.6.2014 geltenden Fassung sind die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 des Untertitels 2 (2. Buch, Abschnitt 3, Titel 1 des BGB) nur auf Verbraucherverträge i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Kapitel 2 beinhaltet Regelungen für "außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge". Dies sind solche Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers i.S.d. § 312b Abs. 2 BGB ist. Bei derart geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen steht dem Verbraucher gem. § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu. Nach der vom BAG vorgenommenen Auslegung des § 312 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung seines systematischen Zusammenhangs und des gesetzgeberischen Willens ergibt sich, dass die Norm den Anwendungsbereich des 2. Kapitels und damit der §§ 312b, 312 g BGB nicht eröffnet. Folglich können Arbeitnehmer ihr Einverständnis mit einem nach dem 12.6.2014 geschlossenen Aufhebungsvertrag unabhängig vom Ort des Vertragsschlusses nicht nach diesen Vorschriften widerrufen (s. im Einzelnen Rn 13-29 der Entscheidungsgründe).
Das BAG beanstandet jedoch, das LAG habe nicht geprüft, ob der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das sog. Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen und deshalb unwirksam ist. Hierfür seien Anhaltspunkte im festgestellten Sachverhalt erkennbar.
Das BAG hat bereits früher entschieden, dass der Gefahr einer möglichen Überrumpelung der Arbeitnehmer bei Vertragsverhandlungen, z.B. weil diese zu ungewöhnlichen Ze...