1. Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG (Rechtsprechungsänderung)
Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dürfen Arbeitnehmer ohne Sachgrund nur dann befristet eingestellt werden, wenn zu demselben Arbeitgeber nicht bereits früher einmal ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (Vorbeschäftigungsverbot). Das BAG hat in der Vergangenheit die Vorschrift dahingehend ausgelegt – seiner Auffassung nach verfassungskonform –, eine erneute sachgrundlos befristete Einstellung sei dann zulässig, wenn das vorangegangene Arbeitsverhältnis mehr als 3 Jahre zurückliege (s. etwa BAG, Urt. v. 30.4.2014 – 7 AZN 114/14). Die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich (BVerfG, Beschl. v. 6.6.2018 – 1BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774, hierzu Frieling, jurisPR-ArbR 30/18, Anm. 1).
Das BVerfG erachtet die Einschränkung der "Zuvorbeschäftigung" für unvereinbar mit dem GG. Es geht davon aus, dass die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) Rechnung trägt. Die mit einer Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insofern gerechtfertigt, als es dieser für den Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf. Die Auslegung der Vorschrift durch das BAG sei mit dem gesetzgeberischen Willen unvereinbar.
Zwar könne sich ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber im Einzelfall als unzumutbar erweisen, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.
Dies könne insb. der Fall sein, wenn
- eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,
- ganz anders geartet war oder
- von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
So liege es etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.
Das BAG hat durch Urteil v. 27.1.2019 (7 AZR 733/16, NZA 2019,700, hierzu Paul, juris PR-ArbR 27/2019 Anm. 4 und Lembke/Tegel, NZA 2019, 1029 – ferner in den Parallelverfahren vom gleichen Tag: 7 AZR 13/17 und 7 AZR 161/15, s. ferner BAG, Urt. v. 20.3.2019 – 7 AZR 409/16, NZA 2019, 1274 u. Urt. v. 17.4.2019 – 7 AZR 323/17, NZA 2019, 1271) im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG seine Rechtsprechung, wonach die grundlose Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig ist, wenn die Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mehr als 3 Jahre zurückliegt, aufgegeben.
Im Verfahren 7 AZR 733/16 war der Kläger zunächst vom 19.3.2004 bis zum 30.9.2005 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, tätig. Mit Wirkung zum 19.8.2013 stellte die Beklagte ihn erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 18.7.2013 befristet für den Zeitraum bis zum 28.2.2014 als Facharbeiter im Bereich "Produktion und Logistik" ein. Die Parteien haben später die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.8.2015 vereinbart. Mit der am 17.8.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht (s. § 17 TzBfG) und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Das BAG sieht vorliegend das gesetzliche Verbot der sachgrundlosen Befristung für den Arbeitgeber nicht als unzumutbar an. Den Zeitraum von 8 Jahren seit der Vorbeschäftigung sieht es als lang, aber nicht als sehr lang – unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG – an. Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung 8 Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung allein wegen des Zeitablaufs dürfte den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insb. auch deren Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete Arbeitsverhältnisse angewiesen. Die sachgrundlose Befristung soll daher nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfa...