Im September hatte die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) Kritik an dem in Vorbereitung befindlichen Registermodernisierungsgesetz (RegModG) geübt. Die BRAK störte sich insb. an der geplanten Aufnahme der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) von Rechtsanwälten in das für alle einsehbare Anwaltsverzeichnis (vgl. Anwaltsmagazin ZAP 19/2020, S. 985).
Jetzt legte auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) nach. Der Verein warnte Anfang November davor, dass das Gesetz den Weg zu einem "gläsernen Bürger" ebne, indem es die Steuer-ID zu einer einheitlichen Identifikationsnummer für alle Bürger mache. Insbesondere schaffe es die technischen Voraussetzungen dafür, die einzelnen Bürger in allen Aspekten ihres Lebens zu erfassen. Mit der Identifikationsnummer könnten theoretisch zahlreiche personenbezogene Daten wie Gesundheitsdaten, Steuerdaten und Informationen zu möglichen Vorstrafen zusammengeführt werden. Das Gesetz erlaube eine solche "Kompletterfassung" zwar nicht ausdrücklich, verbiete sie aber auch nicht.
Ein "allgemeines Personenkennzeichen", so der DAV, gefährde damit nicht nur das Recht der informationellen Selbstbestimmung. Es könnte auch verfassungswidrig sein. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits zwei Mal – mit dem Mikrozensusbeschluss und dem Volkszählungsurteil – deutlich gemacht, dass der Staat seine Bürger nicht zwangsweise in ihrer ganzen Persönlichkeit registrieren und katalogisieren dürfe. Sobald Persönlichkeitsprofile erstellt werden könnten, dürfte es auch nur eine Frage der Zeit sein, bis die Sicherheitsbehörden darauf zugreifen.
Dass ein "Personenkennzeichen" für die Behörden praktisch sei, rechtfertige all diese Gefahren nicht. Um doppelte Arbeit für die Behörden zu vermeiden, gebe es mildere Mittel – etwa das in Österreich genutzte System kryptographisch sicherer, auf einzelne Lebensbereiche beschränkter bereichsspezifischer Kennzeichen oder andere moderne Identitätsmanagementsysteme. Warum es trotzdem ein Personenkennzeichen sein soll, habe der Gesetzgeber nicht überzeugend erklärt. Bürgerinnen und Bürger seien keine Fahrzeuge. Sie sollten nicht mit einem zentralen Kennzeichen erfasst werden.
Auch der Bundesrat äußerte inzwischen erhebliche Bedenken. In seiner offiziellen Stellungnahme zum Gesetzentwurf (BR-Drucks 563/20) heißt es u.a.: "Sollten die geplanten Regelungen in Kraft treten, besteht die Gefahr, dass aus dem bisher zulässigen bereichsspezifischen Datum ein verfassungsrechtlich unzulässiges allgemeines Datum wird." Aufgrund der hierin liegenden Gefährdung der Nutzbarkeit der Steueridentifikationsnummer könne dies auch negative Auswirkungen auf die Finanzverwaltung haben, verbunden mit erheblichen negativen Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren, befürchtet die Länderkammer.
[Quelle: DAV]