Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach derzeit geltendem Recht vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 EUR nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, entgeltgeringfügige Beschäftigung), die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 EUR im Monat übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, zeitgeringfügige Beschäftigung).

 

Hinweise:

Bei geringfügiger Beschäftigung besteht Versicherungsfreiheit – und damit für AN Beitragsfreiheit – in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB V), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI), der gesetzlichen Rentenversicherung – allerdings nur bei der zeitgeringfügigen Beschäftigung (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI), bei entgeltgeringfügiger Beschäftigung besteht insoweit Versicherungspflicht mit der Möglichkeit, sich hiervon befreien zu lassen (§ 6 Abs. 1b SGB VI) – sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 27 Abs. 2 S. 1 SGB III).

Für die Zeit vom 1.3. bis zum 31.10.2020 hat der Gesetzgeber in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in § 115 SGB IV a.F. eine Ausweitung der zeitgeringfügigen Beschäftigung auf längstens fünf Monate oder 115 Arbeitstage bestimmt, sodann v. 1.3. bis zum 31.10.2021 auf vier Monate und 102 Arbeitstage.

Das BSG hatte sich im Rahmen eines Streits über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen mit der Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu befassen, die im Zeitraum 1.7.2010 bis 7.9.2010 bei der Klägerin weder regelmäßig noch berufsmäßig abhängig beschäftigt war i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV. In dem hier fraglichen Zeitraum war die zeitgeringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzt. Die Revision der Klägerin, mit der sie sich gegen das Berufungsurteil wendet, das die bei einer Betriebsprüfung von der Deutschen Rentenversicherung Bund festgestellte Beitragsnachforderung i.H.v. rund 2.700 EUR als gerechtfertigt angesehen hatte, war erfolgreich.

Das BSG verweist darauf, dass die Beschäftigung der Beigeladenen aufgrund des Arbeitsvertrags im Voraus vertraglich auf längstens 50 Arbeitstage i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV aF begrenzt war. Dass die Tätigkeit im Zeitraum 1.7. bis zum 7.9.2010 verrichtet werden sollte und damit die zweite Tatbestandsalternative der Begrenzung auf längstens zwei Monate ausscheidet, stehe dem nicht entgegen. Die nach Arbeitstagen berechnete Zeitgrenze finde nach dem Gesetzeswortlaut als gleichwertige Tatbestandsalternative nicht nur bei einer bestimmten – nicht aufeinanderfolgenden – Verteilung der Arbeitstage Anwendung; insb. sei auf die Zahl der Arbeitstage entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis auch bei einer an fünf Tagen (oder mehr) in der Woche ausgeübten Beschäftigung abzustellen.

Das BSG entscheidet hier entgegen der herrschenden, aber weitgehend nicht näher begründeten Kommentarliteratur (s. hierzu im Einzelnen Rn 15 der Entscheidungsgründe). Das Ergebnis leitet das BSG neben dem Wortlaut aus teleologischen und systematischen Gründen her, die bisherige Rechtsprechung stehe dem nicht entgegen. Eine Erweiterung des vertraglich vereinbarten Zeitrahmens auf 50 Arbeitstage durch Urlaubstage scheide hier aus (s. Rn 30 der Entscheidungsgründe).

Die Entscheidung dürfte für die Praxis erhebliche Bedeutung haben, da hierdurch Gestaltungsmöglichkeiten erschlossen werden, die in der Vergangenheit wegen rechtlicher Unsicherheit oft ungenutzt blieben.

ZAP F. 17 R, S. 1197–1218

Von Richter am Arbeitsgericht Wolfgang Gundel, Freiburg und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und für Sozialrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach

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