Die Parteien stritten u.a. über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, insb. über die Frage des Kleinbetriebs i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG und der Maßregelung nach § 621a BGB.
Das KSchG fand keine Anwendung, weil der beklagte Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht mehr als zehn Arbeitnehmer i.S.v. § 23 Abs. 1. S. 3 KSchG beschäftigte. Zwar kann auch ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen Betrieb i.S.v. § 23 Abs. 1 KSchG sein. Ein solcher liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Die beteiligten Unternehmen müssen sich vielmehr, zumindest stillschweigend, zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, sodass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Das BAG (Urt. v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, NZA 2021, 1096, NJW 2021, 2454) entschied, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben waren. Insbesondere, so das Gericht, sei die Personenidentität des Geschäftsführers beider Unternehmen allein nicht ausreichend für die Annahme einer einheitlichen Leitung.
Hinweise:
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Kündigungszeitpunkt ein gemeinsamer Betrieb bestanden hat, trägt der Arbeitnehmer (BAG Urt. v. 24.10.2013 – 2 AZR 1057/12, Rn 52, BAGE 146, 257 m.w.N.). Mit Rücksicht auf seine typischerweise nur unzureichende Kenntnis vom Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen können ihm dabei Erleichterungen zugutekommen, die sich in einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast ausdrücken:
- Im ersten Schritt genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er äußere Umstände aufzeigt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen über die gemeinsame Führung eines Betriebs unter einem einheitlichen Leitungsapparat geeinigt haben.
- Im zweiten Schritt hat der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erwidern und – soweit durch den Vortrag des Arbeitnehmers veranlasst – ggf. darzulegen, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebs sprechen sollen (BAG, Urt. v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, Rn 31).
- Im dritten Schritt trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Er muss – entgegen dem Arbeitgebervortrag – Beweis für die einheitliche Führung und den einheitlichen Leitungsapparat antreten.
Trotz der abgestuften Darlegungs- und Beweislast finden sich weit überwiegend Entscheidungen, in denen der Arbeitnehmer unterliegt. So war es auch im konkreten Fall.
Ob die Vermutung des § 1 Abs. 2 BetrVG, wonach ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmer vermutet wird, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden, im § 23 Abs. 1 KSchG anzuwenden ist, bleibt offen. Der Vermutungstatbestand lag, so das BAG, bereits nicht vor.
Grundlage der Beurteilung, ob eine Maßregelung vorlag, war folgender Sachverhalt: Der Kläger war im Zeitraum 5.2.2019 bis zum 22.3.2019 arbeitsunfähig erkrankt. Die AU-Bescheinigung gab er am 5.2.2019 bei der Beklagten ab. Am gleichen Tag erfolgte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, dem Kläger zugegangen am 7.2.2019. Der Kläger wandte ein, die Kündigung sei entgegen der Auffassung des LAG jedenfalls wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig. Die Revision blieb erfolglos.
Das BAG ließ offen, ob ein Arbeitnehmer, der unter Vorlage einer AU-Bescheinigung der Arbeit fernbleibt, i.S.v. § 612a BGB ein Recht ausübt, da es davon ausgeht, die Beklagte habe nicht i.S.v. § 612a BGB wegen einer möglicherweise darin liegenden Rechtsausübung des Klägers gekündigt. Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Benachteiligungsverbot soll Arbeitnehmer in ihrer Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob ein Recht ausgeübt wird oder nicht. Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit. Auch eine Kündigung kann eine Maßnahme i.S. dieser Norm sein. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund mehrerer Motive, ist auf das wesentliche Motiv abzustellen.
Nach diesen Grundsätzen ist eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung nur dann eine unzulässige Maßregelung, wenn gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden...