Die hier vorzustellende Entscheidung des BAG v. 26.11.2020 (8 AZR 58/20, NZA 2021, 702 – hierzu Lingemann/Chakrabarti NZA 2021, 1004) befasst sich mit der Wirksamkeit von umfassenden Verfallklauseln in einem Arbeitsvertrag. Bei dessen Bestimmungen handelte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (s. insoweit BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265 Rn 20 ff.).
Die streitige, häufig verwendete Klausel des Vertrags aus dem Jahr 2010 lautet:
Zitat
§ 13 Verfall-/Ausschlussfristen
„Die Vertragsparteien müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen.
Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.”
Es entspricht der st. Rspr. des BAG, dass eine Ausschlussklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder vorformulierten Vertragsbedingungen i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB grds. alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche erfasst, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben und damit auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (s. bereits BAG, Urt. v. 17.10.2018 – 5 AZR 538/17, NZA 2019, 796 Rn 34 m.w.N.). Nicht erfasst werden allerdings Ansprüche aus abgetretenem Recht, da diese ihren Ursprung nicht im Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien haben.
Zwar hat der Senat in seinem Urt. v. 20.6.2013 – a.a.O., Rn 21 – ausgeführt, im Hinblick auf die klare Gesetzeslage nach § 202 Abs. 1 BGB wonach die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden kann sei regelmäßig davon auszugehen, dass die Vertragspartner mit Ausschlussklauseln in AGB, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen, keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm i.S.d. § 134 BGB regeln wollen.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. Vielmehr ergebe sich zunächst aus dem Wortlaut der Ausschlussklausel, wonach pauschal und ausnahmslos „alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben” verfallen können, dass hiermit auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung einbezogen werden. Auch aus dem Regelungsinhalt des § 202 Abs. 1 BGB folge nichts anderes, weil andernfalls den Parteien – entgegen dem unmissverständlichen Wortlaut der Klausel – generell der Wille unterstellt werde, sich mit ihren Regelungen stets im Rahmen dessen zu halten, was nach den Gesetzen zulässig ist. Die Ausschlussklausel ist demnach wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig und entfällt nach § 306 Abs. 1 u. 2 BGB – mangels Teilbarkeit der Klausel in ihrem vollständigen Umfang (Verbot der geltungserhaltenden Reduktion) – unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen.
Die Vorschrift des § 202 Abs. 1 BGB verbietet, so das BAG, nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen; sie ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden darf, weshalb diese Wertungsaussage ihrerseits nicht durch verjährungserleichternde Vereinbarungen ausgehöhlt werden dürfe (s. Rn 66 der Entscheidung).
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte gegen den Kläger Widerklage erhoben, wegen Schadensersatz aus vorsätzlich begangenen Vertragsverstößen. Der Kläger hat sich insoweit u.a. auf Verfristung nach der Ausschlussklausel des Arbeitsvertrags berufen. Das BAG entschied jedoch, dass die Klausel auch etwaigen Ansprüchen der Beklagten aus eigenem Recht nicht entgegensteht, dass sich also Arbeitgeber ebenfalls auf die Nichtigkeit der Klausel berufen können sollen, was erstaunlich erscheint. Zwar könnte diese als Verwenderin von AGB nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit (s. hierzu etwa BAG, Urt. v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018,589 Rn 42) eine sich aus einem Verstoß gegen die §§ 307– 309 BGB (Inhaltskontrolle) ergebende Unwirksamkeit von § 13 des Arbeitsvertrages nicht erfolgreich einwenden. Die Inhaltskontrolle schaffe lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, sie diene aber nicht seinem Schutz vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen. Diese Grundsätze der personalen Teilunwirksamkeit finden jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Klausel wegen eines Verstoßes nach § 202 Abs. 1 BGB gem. § 134 BGB nichtig ist, keine Anwendung (s. näher Rn 70 ff. der Entscheidungsgründe).
Hinweise:
- Die vorliegende Entscheidung betrifft arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen.
- Sie gilt nicht für sog Altverträge aus der Zeit vor d...