Ist der Versand von Schriftsätzen per Anwaltspostfach (beA) aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, dürfen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ausnahmsweise auf Brief oder Fax zurückgreifen. Diese Ausnahmesituation ist allerdings unverzüglich glaubhaft zu machen. Der BGH hat nun erstmals entschieden, was die Gerichte hier an Glaubhaftmachung erwarten dürfen. Mehr oder weniger pauschale Erklärungen des Anwalts, es habe eine Störung vorgelegen, halten die Karlsruher Richter jedenfalls für unzureichend (BGH, Beschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22, ZAP EN-Nr. 698/2022).
Der Fall: In einer Unterbringungssache hatte ein Kollege mehrere Beschwerden eingelegt. Seine Schriftsätze endeten jeweils mit der Erklärung, es könne derzeit nicht über das beA zugestellt werden, da aufgrund einer Störung keine Signatur und Versendung möglich sei. Nach gerichtlichem Hinweis auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der schriftlich eingereichten Beschwerden hat der Betroffene durch Anwaltsschriftsatz rund drei Wochen später näher ausgeführt, dass die Aktivierung der beA-Karte bezüglich der Sendefunktion aus technischen Gründen nicht funktionsfähig gewesen sei. Inzwischen sei die Karte gesperrt und eine neue Karte bezogen worden, bei der die Signaturfunktion erneut nicht habe aktiviert werden können.
Diese Ausführungen reichten weder dem LG noch dem BGH; beide sahen die Beschwerdeeinlegungen als nicht formgerecht erfolgt an. Der BGH machte in seiner Entscheidungsbegründung klar, was er von der Glaubhaftmachung einer Störung beim Versand per beA erwartet. In zeitlicher Hinsicht müsse diese zunächst „möglichst gleichzeitig” mit der Ersatzeinreichung erfolgen. Sei dies nicht möglich, weil etwa der Rechtsanwalt die Störung erst kurz vor Fristablauf feststelle und deshalb bis zum Fristablauf keine Zeit mehr habe, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen, müsse er die Glaubhaftmachung unverzüglich (d.h. ohne schuldhaftes Zögern) nachholen. In inhaltlicher Hinsicht sei eine „aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände” erforderlich, so der XII. Zivilsenat. Zudem müsse der Absender „die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern”.
Diesen Anforderungen genügten die Ausführungen des Kollegen im vorliegenden Fall nicht. Die ursprüngliche Erklärung, es könne wegen einer Störung derzeit nicht über das beA zugestellt werden, war viel zu pauschal und enthielt keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Umstände. Und die spätere Nachholung der Erklärung war nicht mehr unverzüglich. Von der Rechtsprechung werde bereits nach Ablauf einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ohne Vorliegen besonderer Umstände grds. keine „Unverzüglichkeit” mehr akzeptiert, führt der Senat aus; im vorliegenden Fall seien sogar drei Wochen ins Land gegangen, was in jedem Fall die zulässige Dauer überschritten habe.
Betroffenen Kollegen, die sich wegen einer Störung des beA-Systems oder der Internetverbindung gehindert sehen, einen Schriftsatz fristgemäß per elektronischem Postfach einzureichen, sollten sich das Prozedere der Ersatzeinreichung noch einmal vor Augen führen. Ausführlich beschrieben hat es die Bundesrechtsanwaltskammer bereits zum vergangenen Jahreswechsel anlässlich der Einführung der Nutzungspflicht beim beA (s. Anwaltsmagazin 3/2022, 101 f.).
[Quelle: BGH]