Wohnungseigentümergemeinschaften bergen bekanntlich viel Zündstoff für Konflikte. Eskalieren die Verhältnisse und wird das Verhalten eines Mitgliedes der Eigentümergemeinschaft für die anderen Mitglieder schlichtweg unzumutbar, so steht als letztes Mittel die Entziehung des Wohnungseigentums, auch „Abmeierung” genannt, zur Verfügung. Grundlage dafür ist § 17 WEG (vor der WEG-Reform 2020 § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG a.F.). Absatz 1 der Vorschrift bindet an eine wiederholte so schwere Verletzung der Pflichten eines Wohnungseigentümers gegenüber einem anderen Eigentümer oder aber gegenüber der Gemeinschaft an, dass die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zumutbar ist. Dann kann die Gemeinschaft die Veräußerung des Wohnungseigentums verlangen. Diese Möglichkeiten und Rechte können weder beschränkt noch ausgeschlossen werden (§ 17 Abs. 3 WEG).
Absatz 2 der Vorschrift benennt als Regelbeispiel eines Entziehungsgrundes, dass der einzelne Wohnungseigentümer trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen die ihm nach § 14 Abs. 1 und 2 WEG obliegenden Pflichten verstoßen haben muss. Dies ist Frage des Einzelfalls, so z.B. ohne Anspruch auf Vollständigkeit bei Verzug eines einzelnen Eigentümers mit der Erfüllung seiner Pflicht zur Lasten- und Kostentragung (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.10.2021 – 2-13 S 9/21 – hier 12.500 EUR aus Hausgeld, Abrechnungsspitzen der Jahresabrechnung, nicht gezahlten Sonderumlagen nach mehreren bereits erfolgreichen Zahlungsklagen, ohne dass das Zahlungsverhalten des fraglichen Eigentümers sich änderte. Beachte auch § 10 Abs. 2 Nr. 2 ZVG).
Weil das in § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG a.F. enthaltene Regelbeispiel des Zahlungsverzugs im neuen Recht nicht mehr aufgeführt ist, soll eine Entziehungsklage nach § 17 WEG n.F. nicht mehr allein auf einen Rückstand eines Eigentümers mit einer entsprechenden Forderung gestützt werden können, allerdings liegt nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. ein Entziehungsgrund zumindest dann vor, wenn der Eigentümer fortlaufend in erheblicher Weise seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 4.10.2021 – 2-13 S 9/21, ZWE 2022, 128).
„Abmeierungsgründe” können im Übrigen sein:
- Duldung bordellartiger Zustände in einer vermieteten Eigentumswohnung;
- dauernde Beleidigungen anderer Wohnungseigentümer oder des Verwalters;
- wiederholte Sachbeschädigungen, sonstige Straftaten wie z.B. Einbruchsdelikte innerhalb des Hauses;
- Dreck, Vermüllung, Beschmutzungen;
- Gestank;
- Alkoholexzesse, nach außen wahrnehmbar und daraufhin folgende häufige Polizeieinsätze;
- Streitigkeiten, Randalieren und Gewalttätigkeiten gegenüber anderen Wohnungseigentümern, Hausbewohnern oder der Verwaltung (AG Reinbek, Urt. v. 24.2.1993 – 5 C 87/91, DWE 1993, 127; LG Passau, Urt. v. 12.4.1984 – 1 S 151/83, Rechtspfleger 1984, 412 f.),
- dauernde und grundlose Widersprüche gegen Maßnahmen der Verwaltung,
- Verstöße gegen § 14 Abs. 1 und 2 WEG, insb. Missachtung gesetzlicher Regeln, Vereinbarungen und Beschlüsse der Gemeinschaft, Beeinträchtigung des Sondereigentums anderer Eigentümer über das übliche Maß hinaus.
Das Verhalten seiner Hausstandangehörigen (AG Hamburg, Urt. v. 17.8.2021 – 9 C 42/21, IMR 2022, 121) und seines Mieters (AG Pinneberg, Urt. v. 14.9.2021 – 60 C 30/20, IMR 2022, 120) ist dem Wohnungseigentümer wie eigenes Verhalten zuzurechnen. Der Störer muss grds. schuldhaft handeln. Dennoch ist anerkannt, dass nicht schuldhaft handelnde oder nur eingeschränkt schuldfähige Personen durch ihr Verhalten den Ausschluss aus der Gemeinschaft gebieten und rechtfertigen können. Dies gilt für volljährige Wohnungseigentümer, die wegen schwerer geistiger Gebrechen nach § 104 Nr. 2 BGB schuldunfähig sind, genauso wie für partiell geschäftsunfähige volljährige oder minderjährige Wohnungseigentümer.
Obgleich § 17 Abs. 2 WEG eine wiederholte gröbliche Pflichtverletzung fordert, kann eine einmalige Pflichtverletzung als Grundlage eines Entziehungsbeschlusses ausreichend sein, wenn weitere schwere Verletzungen zu befürchten sind. Ist eine Wiederholungsgefahr nicht anzunehmen, so kann eine Verpflichtung zur Veräußerung dennoch in Frage kommen, wenn die einmalige Verletzung derart schwer wiegt, dass dem anderen Wohnungseigentümer das weitere gemeinsame Bewohnen einer Wohnungseigentumsanlage zusammen mit dem Störer nicht mehr zugemutet werden kann. Die im Regelfall notwendige vorherige Abmahnung (§ 17 Abs. 2 WEG) muss das Fehlverhalten konkret beschreiben und ein Entziehungsverlangen bei Missachtung der Abmahnung androhen (AG Essen, Urt. v. 2.2.2022 – 196 C 97/21, IMR 2022, 18).