Unfallversicherungsschutz im Home-Office
Der digitale Wandel in der Arbeitswelt ermöglicht eine räumliche und zeitliche Entgrenzung der Arbeit („Arbeiten 4.0”). § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung bezeichnet die Tätigkeit ganz oder teilweise von zu Hause aus als Telearbeit oder Arbeiten im Homeoffice (zu arbeitsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Arbeit im Homeoffice s. Küttner Personalbuch 2022/Röller, „Homeoffice”, I, ferner Barrein, Das Recht des Arbeitnehmers im Homeoffice, NZA 2022, 1088 und Müller, Kündigungsschutz im Homeoffice, NZA 2022, 1096).
Hinsichtlich der gesetzlichen Unfallversicherung bestimmt der in § 8 Abs. 1 SGB VII seit dem 18.6.2021 eingefügte S. 3 nunmehr: Wird eine versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei der Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte. Siehe auch die Änderung zum Wegeunfall in § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII.
Das BSG hat bereits in der Vergangenheit keinen Zweifel daran gelassen, dass grds. arbeitsrechtliche Homeoffice-Konstellationen dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstehen (s. nur BSG, Beschl. v. 31.8. 2017 – B 2 U 9/16 R, ZAP F. 18, 1604 und vom 27.11.2018 – B 2 U 28/17 R, dort in Rn 19 zum Begriff des Homeoffice).
Das BSG hatte nunmehr über den Versicherungsschutz eines Klägers zu entscheiden, der angestellter Gebietsverkaufsleiter im Außendienst ist. Er hatte in der dritten Etage seines Wohnhauses mit Billigung der Arbeitgeberin einen voll ausgestatteten häuslichen Arbeitsplatz eingerichtet, den die Arbeitgeberin zudem bezuschusste. Er wohnt in der vierten Etage des Hauses. Am Unfalltag stürzte der Kläger morgens gegen 7 Uhr auf dem unmittelbaren Weg beim Hinabsteigen der Treppe zur Büroetage und zog sich dabei den Bruch eines Brustwirbelkörpers zu. Das BSG bejahte hier einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII (Urt. v. 8.12.2021 – B 2 U 4/21 R, NJW 2022, 3029, hierzu Römer jurisPR-SozR 11/2022 Anm. 3.).
Die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfallereignisses – Hinabsteigen der Treppe von der vierten Etage in sein Arbeitszimmer in die dritte Etage seines Eigenheims – stand in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit, da er einen der Betriebsarbeit gleichgestellten (mit-)versicherten Betriebsweg – einen Weg, der in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird, Teil der versicherten Tätigkeit ist und damit der Betriebsarbeit gleichsteht – zurücklegte (§ 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Befinden sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude, ist ein Betriebsweg ausnahmsweise auch im häuslichen Bereich denkbar (so bereits BSG, Urt. v. 27.11.2018 – B 2 U 28/17, juris Rn 17 und nunmehr a.a.O., Rn 17). Das BSG stellt aktuell für den Umfang des Versicherungsschutzes im Homeoffice nicht mehr darauf ab, inwieweit die Treppe, auf der sich der Unfall ereignete, betrieblich oder privat genutzt wurde. Ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und somit im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, also danach,
- ob dieser bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und
- diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt werden (s. Rn 20 der Entscheidung).
Hinweis:
Zur Frage, ob Impfschäden (gegen das Influenza-A-Virus H1N1 – Schweinegrippe) Folgen eines Arbeitsunfalls sein können, d.h. ob ein innerer Zusammenhang der Impfung mit der versicherten Tätigkeit besteht (s. LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.9.2021 – L 2 U 159/20, im konkreten Fall verneinend, zu der Entscheidung Krome jurisPR-ArbR 45/2021 Anm. 6 und jetzt Hahn NZA 2022, 369).
ZAP F. 17 R, S. 1231–1250
Von Richter am Arbeitsgericht Wolfgang Gundel, Freiburg und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und für Sozialrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach