Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten. Bei der Beurteilung, ob dem Mandanten aus fehlerhafter Beratung ein Schaden entstanden ist, hat das für den Regressprozess zuständige Gericht grundsätzlich nicht darauf abzustellen, wie das damals angerufene Gericht ohne die Pflichtverletzung tatsächlich entschieden hätte, sondern muss aufgrund der gesamten Sach- und Rechtslage selbstständig darüber befinden, welches Urteil richtigerweise im Vorprozess hätte ergehen müssen (BGH NJW 2015, 3519 Rn 18).
Dem Rechtssatz, wonach die Sicht des Regressrichters maßgeblich ist, liegt die Erwägung zugrunde, dass es bei wertender Betrachtungsweise nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden kann, wenn sich im Haftungsprozess herausstellt, dass die Partei im Vorprozess objektiv mit Recht unterlegen war (BGH WM 2014, 858 Rn 24). Der Umstand, dass die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozess gewonnen hätte, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regressprozess gegen ihren Prozessbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht keinen Anspruch hatte. Auf diesen Fall trifft die Regel nicht zu, dass ein Schaden bereits dann bejaht werden kann, wenn die Partei einen Prozess verloren hat, den sie bei sachgemäßer Vertretung gewonnen hätte (BGH WM 2012, 2242 Rn 2). Deshalb kommt es beispielsweise nicht darauf an, welche Tatsachen im Vorprozess mutmaßlich festgestellt worden wären, sondern welche Beweiserhebungen nach Auffassung des Regressgerichts zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind. Diese Sichtweise ist Ausdruck des normativen Schadensbegriffs (D. Fischer VersR 2016, 700, 706). Dabei ist grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Vorprozesses bei pflichtgemäßem Verhalten des Anwalts unterbreitet und von ihm aufgeklärt worden wäre (BGH a.a.O. Rn 13, 26).
Der Regressrichter hat bei der Prüfung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, die Rechtslage unter Einschluss der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt der hypothetischen Entscheidung im Ausgangsverfahren bestand. Dies gilt auch dann, wenn sich der Mandant auf eine feste, später jedoch aufgegebene Rechtsprechung stützen kann (BGH WM 2014, 858 Rn 31). Die hinsichtlich des Ausgangs des Vorprozesses erforderlichen Feststellungen hat das Regressgericht nach den Grundsätzen des § 287 ZPO zu treffen (BGH NJW 2015, 3519 Rn 18). Die Beweislastregeln des Vorprozesses gelten auch für den Regressprozess (BGH BeckRS 2016, 19058 Rn 39).
Beispiel:
Verteidigt sich in einem Vorprozess der verklagte Versicherer gegen beanspruchte weitere Versicherungsleistungen mit einer aufrechnungshalber eingewandten Bereicherungsforderung wegen überzahlter anderweitiger Leistungen, so trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast (BGH NJW 2014, 2275 Rn 11; BGH BeckRS 2016, 19058 Rn 39). Dementsprechend hat der Rechtsanwalt im Regressprozess zu beweisen, dass die geltend gemachte Überzahlung tatsächlich vorgelegen hat. Es reicht nicht aus, wenn er die diesbezüglichen Behauptungen des Mandanten nur bestreitet (BGH BeckRS 2016, 19058 Rn 39).