Die geplante Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen, Plätze und des Personenverkehrs begegnet nach Auffassung des Deutschen Richterbundes verfassungsrechtlichen Bedenken. In einer Stellungnahme zum sog. Videoüberwachungsverbesserungsgesetz äußert der Verband Zweifel, ob § 6b Abs. 1 S. 2 BDSG-E einer Überprüfung am Maßstab des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der jeweiligen Betroffenen standhält.
Nach Auffassung der Richter ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen und die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten und normenklaren Ermächtigungsgrundlage materiell verfassungsgemäß sein können, wenn für sie ein hinreichender Anlass besteht und die Überwachung sowie die Aufzeichnung insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Möglichkeit der Auswertung der Daten das Übermaßverbot wahren. Das setze jedoch eine hinreichend bestimmte und normenklare Ermächtigungsgrundlage für die geplante Videoüberwachung voraus.
Im Hinblick auf die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen gebe es jedoch Zweifel an der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit der Mittel. So sei schon umstritten, ob Videoüberwachung die Begehung von Straftaten überhaupt in erheblichem Umfang verhindern könne. Der Abschreckungseffekt von sichtbaren Videokameras bzw. der gem. § 6b BDSG notwendigen Hinweisschilder dürfte einen planmäßig vorgehenden Delinquenten in vielen Fällen nicht von der geplanten Straftat abhalten können, sondern lediglich Maßnahmen zum Schutz vor Entdeckung bzw. Erkennen provozieren. Aus einem spontanen Impuls heraus begangene Straftaten ließen sich durch Videoüberwachung ohnehin nicht bzw. allenfalls in sehr geringem Umfang verhindern.
Unverhältnismäßig sei zudem, dass mit der geplanten Maßnahme ganz überwiegend Personen überwacht würden, die selbst keinen Anlass dafür geben. Das Vorhandensein einer Vielzahl von Videoüberwachungsanlagen führe zu einem diffusen Gefühl des permanenten Überwachtwerdens, was bereits einen Eingriff in grundrechtliche Belange der Betroffenen darstelle. Hinzu komme, dass das Gewicht des Grundrechtseingriffs noch dadurch erhöht werde, dass infolge der Aufzeichnung das gewonnene Bildmaterial in vielfältiger Weise ausgewertet, bearbeitet und mit anderen Informationen verknüpft werden könne, insbesondere leicht mit Hilfe von z.B. Gesichtserkennungssoftware Bewegungsprofile erstellt werden könnten.
Auch rechtssystematisch sei die Regelung verfehlt. Regelungen zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung gehörten systematisch nicht in das Bundesdatenschutzgesetz. Dass für die Gewährung der öffentlichen Sicherheit und der Gefahrenabwehr Private in die Pflicht genommen werden sollen, sei ein weiterer Kritikpunkt. Es handele sich hierbei um Kernaufgaben des Staates, die er z.B. durch eine höhere Polizeipräsenz an Kriminalitätsschwerpunkten wahrzunehmen habe.
[Quelle: DRB]
ZAP, S. 1268–1274