Im Gegensatz zum aktiven Marketing können dem Franchisenehmer Maßnahmen des "passiven Marketing" nicht untersagt werden. Im Franchisevertrag darf sich also keine Regelung finden, in der dem Franchisenehmer passives Marketing auch außerhalb seines Vertragsgebietes untersagt wird. Dies betrifft vor allen Dingen das "Internet" und damit den Onlinehandel bzw. einen eigenen Online-Shop des Franchisenehmers. Das Internet wird von der EU-Kommission als eine Maßnahme des passiven Marketings angesehen. Insofern ist es auch grundsätzlich nicht möglich, dem Franchisenehmer den Absatz der Produkte des Franchise-Systems im Internet zu untersagen (umfassend dazu Schulze/Panthe/Wagener, a.a.O., 71–776 m.w.N.).
Allerdings scheint sich hier eine Tendenzwende in der Rechtsprechung anzudeuten. Das pauschale Verbot wird nicht mehr grundsätzlich als eine notwendige Wettbewerbsbeschränkung angesehen, die einem Franchisenehmer auferlegt werden kann, sondern als eine Kernbeschränkung i.S.v. Art. 4 lit. c Vertikal-GVO (EU-VO 330/2010). Dies zeigt die erstinstanzliche Entscheidung des LG Frankfurt/M. vom 18.6.2014 (ZVertriebsR 2014, 311), wenn es dort in den beiden Leitsätzen der Entscheidung heißt:
Zitat
- Ein pauschales Verbot des Weiterverkaufs über Internetplattformen Dritter im Selektivvertrieb stellt eine Kernbeschränkung gem. Art. 4 lit. c Vertikal-GVO dar.
- Es spricht einiges dafür, dass sich die mit einem solchen Verbot verbundene Dämpfung des marktinternen Preiswettbewerbs nicht mit überwiegenden Effizienzvorteilen im Rahmen einer Einzelfreistellung rechtfertigen lässt. Jedenfalls ist aber ein pauschales Verbot nicht unerlässlich, weil es ebenso geeignete, aber nicht weniger wettbewerbsbeschränkende Mittel gibt.
In 2. Instanz hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 22.12.2015 (ZVertriebsR 2016, 123) Einschränkungen vorgenommen und zugleich neue Grundsätze zur Zulässigkeit von Drittplattformen und dem selektiven Vertrieb von Markenartikeln aufgestellt. Entscheidend ist nun für ein etwaiges den Franchisenehmer vertraglich auferlegtes Verbot, die Produkte des Franchise-Systems online abzusetzen, ob für den Verkauf des Produkts eine qualifizierte Beratung notwendig ist und die Signalisation einer höheren Produktqualität.
Zugleich ist der Vorlagebeschluss des OLG Frankfurt vom 16.4.2016 (ZVertriebsR 2016, 235) zum EuGH zu beachten. Dieser wird nunmehr zu entscheiden haben, ob in Abweichung von seiner Entscheidung vom 13.10.2011 (ZVertriebsR 2012, 55 [Pierre Fabré]) das Luxusimage des Vertriebssystems bzw. der abzusetzenden Produkte für eine Wettbewerbsbeschränkung ausreichen. Im Hinblick auf den Internetvertrieb eines Franchisenehmers wird also die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung zu beobachten sein.