Der 14. Streik im laufenden Tarifkonflikt der Lufthansa mit ihren Piloten, tagelange Flugausfälle wegen kurzfristiger Krankmeldung (oder – je nach Lesart – wegen "wilder Streiks") von Crewmitgliedern – das sorgt für Ärger bei den Passagieren und lange Schlangen vor den Flughafenschaltern. AirBerlin, die Sicherheitsunternehmen am Flughafen, die Besatzungen: Alle haben in den letzten Jahren irgendwann gestreikt. Ist das Gefühl der Ohnmacht, das manchen Passagier dabei beschleicht, rechtlich begründet und welche Ansprüche können ggf. geltend gemacht werden?
Die wesentliche Grundfrage ist die nach der Einordnung des Streiks: Ist er höhere Gewalt oder nicht? Neben dieser Grundfrage unterscheiden sich die Rechte des Passagiers danach, ob sein Flug Teil einer Pauschalreise war oder er nur den Flug gebucht hat.
Für die Ansprüche des Kunden nach der Fluggastrechteverordnung, VO (EG) Nr. 261/2004, könnte man einfach auf den Umstand der Nichtbeförderung abstellen. Dann bekäme der Kunde bei einem ausgefallenen Flug die in der Verordnung festgelegte Entschädigung.
Aber: Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung bestimmt, dass eine Entschädigung dann nicht zu zahlen ist, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der Begriff "außergewöhnliche Umstände" ist in Nuancen anders als der der höheren Gewalt. Wir werden ihn indes häufiger lesen, da die europäischen Normen anstelle der höheren Gewalt die außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umstände verwenden.
Wie lässt sich also "Streik" hinsichtlich der Fluggastrechte klassifizieren? Kommt es bei der Annullierung des Fluges auf die Veranlassung der Arbeitgeberseite an? Oder ist ein Streik eigenen Personals anders zu bewerten als der Streik etwa der Fluglotsen in einem Drittland?
Der BGH hat hierzu in den Jahren 2012 und 2014 für Klarheit gesorgt: Streiks des eigenen Personals sind geeignet, außergewöhnliche Umstände im Sinne der Fluggastrechteverordnung zu begründen. Gleiches gilt für Streiks etwa der Fluglotsen oder anderer Dritter. Der Passagier bekommt sein Geld zurück, aber mehr auch nicht.
Nur: Damit sind nicht alle Ansprüche aus der Verordnung erledigt. Denn es bleibt bei einem Ausgleichsanspruch, wenn etwa die Airline, um die Folgen des Streiks abzumildern, bereits vor dem Streik Flüge annulliert, um die Flugzeuge an einem bestimmten Einsatzort vorzuhalten. Gleiches gilt, wenn die Airline nach dem Streik aus organisatorischen Gründen ihre Rückkehr zum regulären Flugplan verzögert.
Gerade darum wurde und wird über die Krankmeldungswelle bei TUIfly kontrovers diskutiert. War es eine Erkrankung, dann liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor und die Airline bleibt in der vollen Verantwortung. Denn Erkrankungen, auch massenhafte Erkrankungen, fallen in den Risikobereich der Airline und begründen keine außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umstände. War es aber ein "wilder Streik", also eine kollektive Arbeitsniederlegung, die nicht durch eine Gewerkschaft autorisiert wurde, sind die Airlines vor Ausgleichszahlungen gefeit.
Welche Rechte hat der Passagier, wenn der Flug im Rahmen einer Pauschalreise stattfindet? Das hängt davon ab, wie sich der Reiseveranstalter verhält. Dieser kann eine Pauschalreise kündigen, wenn die Reise infolge höherer Gewalt erschwert, beeinträchtigt oder gefährdet wird. Der Reisende erhält dann den Reisepreis zurück, kann aber keine weiteren Ansprüche (etwa wegen frustrierter Aufwendungen oder als Ersatz entgangener Urlaubsfreude) geltend machen. Vor einigen Jahren wurden vielfach Urlaubsreisen wegen höherer Gewalt durch Reiseveranstalter gekündigt, da wegen des Ausbruchs des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull der europäische Luftraum geschlossen wurde. Wird nicht gekündigt, so haftet der Reiseveranstalter weiter auf die verschuldensunabhängigen reiserechtlichen Gewährleistungen, insbesondere Minderung und (Selbst-)Abhilfe.
Bleibt also die Frage, ob der Streik mit einem Vulkanausbruch vergleichbar ist, also der Streik gleich einer Naturkatastrophe unabwendbar ist. Weitgehend Einigkeit herrscht bei einem Streik Dritter. Dritte sind alle, die nicht in den betrieblichen Risikobereich des Veranstalters fallen, z.B. Fluglotsen oder Zollbeamte. Derartige Streiks sind Fälle höherer Gewalt, d.h. ein von außen kommendes Ereignis, das auch bei äußerster Sorgfalt nicht abzuwenden wäre. In diesen Fällen kann der Reiseveranstalter den Reisevertrag kündigen. Der Reisende erhält also den Reisepreis zurück, kann aber keine weiteren Ansprüche geltend machen. Hinsichtlich eines Streiks eigener Leute ist aber eine Meinung im Vordringen, die auch solche Streiks als höhere Gewalt einordnet, obwohl sie ja eigentlich einen betrieblichen Zusammenhang aufweisen. Voraussetzung hierfür ist, dass den Veranstalter kein Abwendungs- oder Organisationsverschulden trifft, er also alles getan hat, um die Auswirkungen der höheren Gewalt abzuwenden. Bei einem Streik kann der Vera...