a) Pflichtverteidigerbeiordnung wegen Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage
Das LG Köln hat sich vor einiger Zeit zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wenn die Fragen eines Beweisverwertungsverbots im Raum stehen, geäußert (vgl. Beschl. v. 19.7.2016 – 108 Qs 31/16, StraFo 2016, 341 = StRR 12/2016, S. 14). Gegen die Angeklagte war ein Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln anhängig. Hintergrund des Vorwurfs war, dass die Betäubungsmittel, deren Besitz der Angeklagten vorgeworfen wurde, im Rahmen einer Polizeikontrolle und einer anschließenden Durchsuchung der Angeklagten sichergestellt werden konnten. Die Verwertbarkeit der Ergebnisse der Durchsuchung der Angeklagten war im Streit. Das AG hatte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt. Das LG hat auf die Beschwerde dann beigeordnet.
Das LG (a.a.O.) bejaht einen Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 2 StPO, da sich die Rechtslage im Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit der Durchsuchungsergebnisse als schwierig darstelle. Maßgeblich sei insoweit nicht, ob tatsächlich von einem Verwertungsverbot auszugehen sei. Ausreichend sei vielmehr, dass fraglich ist, ob ein Beweisergebnis einem Beweisverwertungsverbot unterliege (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 140 StPO Rn 27a m.w.N. [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner/Schmitt]; zur Beiordnung des Rechtsanwalts wegen "Schwierigkeit" nach § 140 Abs. 2 StPO s. Burhoff, EV, Rn 2882 ff.). Insoweit erscheine die Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedenfalls dann geboten, wenn die Annahme eines Verwertungsverbots ernsthaft in Betracht komme. Zunächst werde ein Angeklagter, der über keine juristische Vorbildung verfüge, die sich insoweit stellenden Rechtsfragen nicht beantworten können. Er bedürfe daher, insbesondere für die Frage, ob ein Berufen auf ein Beweisverwertungsverbot Aussicht auf Erfolg habe, die für die Wahl der Verteidigungsstrategie maßgeblich sein könne, der Verteidigung durch einen Rechtsanwalt. Hinzu komme, dass die Frage, ob von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen sei, regelmäßig ohne vollständige Aktenkenntnis nicht zu beantworten sei. Gemessen daran, lag im entschiedenen Verfahren ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, weil die Annahme eines Beweisverwertungsverbots jedenfalls ernsthaft in Betracht kam, was das LG dann im Einzelnen darlegt.
Hinweis:
Man kann die Entscheidung nur unterstreichen. Denn, wenn man sich die umfangreiche Rechtsprechung zu Beweisverwertungsverboten (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 1014; Burhoff, HV, Rn 1018) ansieht, liegt es m.E. auf der Hand, dass sich der Beschuldigte in dem "Gestrüpp" kaum allein zurecht finden wird, sondern er der Hilfe eines Verteidigers bedarf. Das gilt vor allem auch deshalb, weil sich in diesen Fällen häufig auch andere/weitere Fragen stellen. Im vom LG Köln (a.a.O.) entschiedenen Fall hatte nämlich die Beschuldigte die Tat eingeräumt, nachdem sie mit den in ihrer Tasche aufgefundenen Betäubungsmitteln konfrontiert worden war. Damit ging es aber nicht nur um ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Ergebnisse der Durchsuchung, sondern auch hinsichtlich ihrer geständigen Angaben, wenn sie sich ggf. nur deshalb zur Sache eingelassen hat, weil sie angenommen hat, dass die Beweismittel aus der Durchsuchung gegen sie verwendet werden könnten. Für beide Fälle lässt die Widerspruchslösung des BGH (BGHSt 38, 214) grüßen, die der Beschuldigte ebenfalls kaum allein wird handhaben können (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn 3433 m.w.N.).
b) Umbeiordnung und Mehrkosten
Das LG Bielefeld befasst sich im Beschluss vom 7.9.2016 (8 Qs 379/16 VIII, StRR 11/2016, S. 2 [Ls.]) mit der in der Praxis häufigen Frage der "Umbeiordnung" und zwar, wenn im Beiordnungsverfahren das Anhörungsrecht des Beschuldigten verletzt worden ist. Das Beiordnungsverfahren war wie folgt abgelaufen: Der Angeklagte war ein der deutschen Sprache nicht kundiger Ausländer. Ihm wird mit Anklage zum AG die Begehung eines gewerbsmäßigen Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch vorgeworfen. Aufgrund einer Verfügung des Amtsrichters wird dem Angeklagten die Anklage nebst einer Übersetzung in die georgische Sprache zugestellt sowie ein – nicht übersetztes – Schreiben mit einer Fristsetzung von zwei Wochen für eine Stellungnahme mit dem Zusatz: "Ihnen ist ein Pflichtverteidiger/eine Pflichtverteidigerin zu bestellen. Sie erhalten Gelegenheit, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens, einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin Ihres Vertrauens zu benennen. Falls Sie keinen Rechtsanwalt/keine Rechtsanwältin benennen, wird das Gericht Ihnen einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin auswählen und als Pflichtverteidiger/Pflichtverteidigerin bestellen." Nachdem eine Stellungnahme nicht erfolgte, eröffnete das AG mit Beschluss vom 4.1.2016 das Hauptverfahren und bestellte Rechtsanwalt A. zum Pflichtverteidiger. Mit Schriftsatz vom 21.3.2016 meldete sich dann der Rechtsanwalt B. und beantragte, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen. Auf den Hinweis, dass bereits ein Pflichtverteidiger bestellt sei, beantragte Rechtsanwalt B. die Aufhebung der Bestellung ...