Der BGH-Beschluss vom 12.7.2016 (1 StR 136/16, StRR 11/2016, S. 8 = StraFo 2016, 472), befasst sich noch einmal mit dem zulässigen Inhalt einer Verständigung. Der Angeklagte hatte in der Revision einen Verstoß gegen § 257c StPO unter dem Gesichtspunkt eines "unzulässigen Gesamtpakets" gerügt. Die dafür abgegebene Begründung: Der in der Hauptverhandlung unterbreitete Verständigungsvorschlag des Gerichts habe entsprechend dem Ergebnis der Vorgespräche die Wendung enthalten, die Staatsanwaltschaft wirke darauf hin, dass ein gegen den Angeklagten anhängiges Berufungsverfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt werde.
Mit der Rüge war der Angeklagte nicht erfolgreich. Der BGH (a.a.O.) verweist darauf, dass in eine Verständigung nicht Verfahren mit Bindungswirkung einbezogen werden können, die außerhalb der Kompetenz des Gerichts liegen. Zusagen der Staatsanwaltschaft zu Einstellungen in anderen Verfahren nach § 154 StPO anlässlich einer Verständigung seien aber nicht etwa verboten (vgl. näher Knauer NStZ 2013, 433, 435 f.; Mosbacher NZWiSt 2013, 201, 204; vgl. auch BT-Drucks 16/12310, S. 13). Zulässig sei deshalb, dass die Staatsanwaltschaft anlässlich einer Verständigung nach § 257c StPO ankündige, andere bei ihr anhängige Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung einzustellen oder auf eine Einstellung bereits anhängiger Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO hinzuwirken, solange nicht der Eindruck erweckt werde, dass es sich dabei um einen von der Bindungswirkung der Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) erfassten Bestandteil handelt.
Hinweis:
Dem Eindruck von Bindung kann entgegengewirkt werden, indem der Vorsitzende den Angeklagten – was in dem vom BGH (a.a.O.) entschiedenen Fall geschehen war – darüber belehrt, dass die "Einstellungsankündigung" keine solche Bindungswirkung entfaltet.
In der Literatur besteht im Recht der Verständigung (§ 257c StPO) Streit, ob die Dauer einer Sperrfrist (§ 69a StGB) abgesprochen werden bzw. darüber eine Verständigung (§ 257c StPO) getroffen werden kann. Das wird, u.a. von Meyer-Goßner/Schmitt (§ 257c Rn 9; vgl. auch Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 257c Rn 29) unter Hinweis darauf, dass es sich um eine Maßregel der Sicherung und Besserung handelt, verneint (s. auch Deutscher StRR 12/2016, S. 14 in der Anm. zu OLG Nürnberg StRR 12/2016, S. 13). Ich sehe dies anders und bejahe die Frage, da es nur um die Ausfüllung der Maßregel geht (vgl. Burhoff, EV, Rn 124; Burhoff, HV, Rn 189).
In der Rechtsprechung wird die Frage inzwischen vom OLG Nürnberg (vgl. Beschl. v. 10.8.2016 – 2 OLG 8 Ss 289/15, StRR 12/2016, S. 13) bejaht: Das OLG verweist auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/12310, S. 14). Dort werde ausgeführt: "Gegenstand einer Verständigung dürfen auch nicht Maßregeln der Besserung und Sicherung sein. Diese eröffnen – bei Vorliegen ihrer gesetzlichen Voraussetzungen – grundsätzlich keinen Entscheidungsspielraum des Gerichtes wie bei der Strafzumessung." Daraus folgt nach Auffassung des OLG Nürnberg (a.a.O.), dass lediglich die Anordnung der Maßregel selbst verständigungsfeindlich ist, nicht aber die einem Entscheidungsspielraum unterliegenden Folgeentscheidungen. Zu diesen gehöre gerade die Festlegung einer Sperrfrist. Für eine Zulassung der Verständigung über die Sperrfrist spreche i.Ü. auch der Umstand, dass sich das Verbot der Verständigung über Maßregeln zwar ohne Weiteres hinsichtlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung wegen ihres tiefen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten und – über die Wirkung einer Freiheitsstrafe hinaus – auch in dessen Freiheitsrecht wegen der unabsehbaren Dauer einer solchen Maßnahme erschließe, nicht jedoch hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und erst recht nicht hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist (vgl. Temming, in: Gercke/Julius/Temming u.a., StPO, 5. Aufl., § 257c Rn 27; Eschelbach, in: BeckOK-StPO, § 257c Rn 11.4).
Das OLG Nürnberg (a.a.O.) hat i.Ü. auch nicht beanstandet, dass das LG eine feste Sperrfrist in Aussicht gestellt hat und nicht einen Rahmen. § 257c Abs. 3 S. 2 StPO, der die Bekanntgabe der Unter- und Obergrenze der zu verhängenden Rechtsfolgen vorschriebt, gelte nur für die Strafe (vgl. BT-Drucks 16/12310, S. 14), aber konsequenterweise nicht für die Maßregeln, da insoweit eine Verständigung unzulässig sei. Der Senat sah insoweit kein Bedürfnis für die nach seiner Auffassung nicht verständigungsfeindlichen Folgeentscheidungen § 257c Abs. 3 S. 2 StPO entsprechend anzuwenden.
Hinweis:
Der zutreffende Beschluss ist darüber hinaus lesenswert wegen der Ausführungen des OLG zur Frage, ob Gegenstand einer Verständigung vor dem Berufungsgericht auch die nachträgliche Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch sein kann oder ob darin eine unzulässige Verständigung über den Schuldspruch oder über einen Rechtsmittelverzicht liegt. Das OLG hat die Fra...