Das LG Bielefeld befasst sich im Beschluss vom 7.9.2016 (8 Qs 379/16 VIII, StRR 11/2016, S. 2 [Ls.]) mit der in der Praxis häufigen Frage der "Umbeiordnung" und zwar, wenn im Beiordnungsverfahren das Anhörungsrecht des Beschuldigten verletzt worden ist. Das Beiordnungsverfahren war wie folgt abgelaufen: Der Angeklagte war ein der deutschen Sprache nicht kundiger Ausländer. Ihm wird mit Anklage zum AG die Begehung eines gewerbsmäßigen Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch vorgeworfen. Aufgrund einer Verfügung des Amtsrichters wird dem Angeklagten die Anklage nebst einer Übersetzung in die georgische Sprache zugestellt sowie ein – nicht übersetztes – Schreiben mit einer Fristsetzung von zwei Wochen für eine Stellungnahme mit dem Zusatz: "Ihnen ist ein Pflichtverteidiger/eine Pflichtverteidigerin zu bestellen. Sie erhalten Gelegenheit, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens, einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin Ihres Vertrauens zu benennen. Falls Sie keinen Rechtsanwalt/keine Rechtsanwältin benennen, wird das Gericht Ihnen einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin auswählen und als Pflichtverteidiger/Pflichtverteidigerin bestellen." Nachdem eine Stellungnahme nicht erfolgte, eröffnete das AG mit Beschluss vom 4.1.2016 das Hauptverfahren und bestellte Rechtsanwalt A. zum Pflichtverteidiger. Mit Schriftsatz vom 21.3.2016 meldete sich dann der Rechtsanwalt B. und beantragte, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen. Auf den Hinweis, dass bereits ein Pflichtverteidiger bestellt sei, beantragte Rechtsanwalt B. die Aufhebung der Bestellung des Rechtsanwalts A. und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger unter Hinweis darauf, dass dem Angeklagten nicht ausreichend Gelegenheit zur Benennung eines Verteidigers gegeben worden sei; für den Fall, dass dem anders sei, bitte er um Mitteilung, er werde dann auf die durch die Auswechslung des Pflichtverteidigers entstehenden Mehrkosten verzichten. Nachdem Rechtsanwalt A. sich mit seiner Entpflichtung einverstanden erklärt hat, hat das AG diesen entpflichtet, Rechtsanwalt B. zum Pflichtverteidiger bestellt und angeordnet, die durch den Verteidigerwechsel entstehenden Mehrkosten dem neuen Pflichtverteidiger nicht zu erstatten. Gegen diese Anordnung richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.
Die Beschwerde hatte Erfolg. Das LG Bielefeld (a.a.O.) hat dem Angeklagten und seinem Pflichtverteidiger Recht gegeben. Die Ausführungen des LG lassen sich in zwei Kernaussagen zusammenfassen: Das sich aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK ergebende Recht des sprachunkundigen Ausländers auf Unterstützung durch einen Dolmetscher gilt nicht nur für die Hauptverhandlung, sondern soll für das gesamte Verfahren sicherstellen, dass ihm sämtliche Schriftstücke und Erklärungen in dem gegen ihn geführten Verfahren übersetzt werden, auf deren Verständnis er angewiesen ist, um ein faires Verfahren zu haben (zur Übersetzung von Aktenbestandteilen Burhoff, EV, Rn 3660 m.w.N.). Hierzu gehört nach Auffassung des LG auch die Kenntnis des Rechts, vor der Bestimmung des Pflichtverteidigers einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zu benennen. Auch dieser Hinweis müsse daher – so das LG – übersetzt werden. Und das LG (a.a.O.) führt weiter aus, dass dann, wenn die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfolgt ist, ohne dass dem Beschuldigten die notwendige Gelegenheit gegeben wurde, einen Rechtsanwalt zu bezeichnen, die Bestellung aufzuheben und der nunmehr bezeichnete Rechtsanwalt beizuordnen ist. Das gelte auch in den Fällen, in denen bei einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten der entsprechende Hinweis nicht übersetzt worden sei.
Hinweis:
Die Entscheidung ist zutreffend und wird in den entsprechenden Fällen die "Umbeiordnung" erleichtern. Zu begrüßen ist vor allem, dass das LG betont, dass auch der "Belehrungshinweis" im Beiordnungsverfahren (§ 142 StPO) dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten übersetzt werden muss, was häufig übersehen wird (zu den Übersetzungsfragen s. Burhoff, EV, Rn 3660 ff.; zum Verfahren der Beiordnung des Pflichtverteidigers Burhoff, EV, Rn 3016). Zutreffend ist dann natürlich auch, dass in den Fällen, in denen bei der Beiordnung – wie hier – Fehler gemacht worden sind, die "Umbeiordnung" ohne Weiteres zu erfolgen hat (vgl. dazu betreffend die Fälle des § 140 Abs. 1 Nr. StPO Burhoff, EV, Rn 2869 f.).
Das LG (a.a.O.) hat in seinem Beschluss abschließend noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erstattung der durch den Verteidigerwechsel entstehenden Mehrkosten dem neuen Pflichtverteidiger in den Fällen der fehlerhaften "Erstbeiordnung" nicht verweigert werden kann.
Hinweis:
Dieser (kurze) Hinweis des LG in Zusammenhang mit der Mehrkostenproblematik ist ebenfalls zutreffend. M.E. liegt es auf der Hand, dass in diesen Fällen, in denen die Justiz im Beiordnungsverfahren einen Fehler gemacht hat, der zur "Umbeiordnung" führt, die dadurch entstehenden Kosten weder dem Angeklagten noch dem Pflichtverteidiger angelastet werden können (so auch LG Siege...