Eine in der Praxis hoffentlich seltene Konstellation behandelt das KG in seinem Beschluss vom 9.12.2016 (StraFo 2017, 69). Gegen den Angeklagten ist seit dem 31.5.2016 das Berufungsverfahren beim LG anhängig. Mit Verfügung vom 3.6.2016 beraumte der Kammervorsitzende den Hauptverhandlungstermin auf den 4.1.2017 an. In der Folgezeit wurde bekannt, dass der Angeklagte inhaftiert ist, worauf der Vorsitzende unter dem 26.8.2016 dessen Vor- und Rückführung aus der Anstalt anordnete. Nachdem der Angeklagte mit Schreiben vom 15.10.2016 unter Beifügung einer Haftbescheinigung, die seine Inhaftierung vom 10.6.2016 bis voraussichtlich zum 25.2.2017 ausweist, die Beiordnung eines Verteidigers beantragt hatte, gewährte der ordentliche Kammervorsitzende der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich dahin, dass "zu gegebener Zeit" die Haftverhältnisse zu prüfen und sodann über die Beiordnung zu entscheiden sei. Mit diesem Verfahrensstand lagen die Akten am 2.11.2016 dem Dezernatsvertreter des Kammervorsitzenden vor. Dieser verfügte "zur Ersparung von Kosten für einen andernfalls notwendigen Verteidiger" die Aufhebung des Termins vom 4.1.2017, ließ die Staatsanwaltschaft davon in Kenntnis setzen, dass ein neuer Termin "nach Haftentlassung des Angeklagten" anberaumt werde, und bestimmte eine Frist zur Widervorlage der Sache von drei Monaten. Dagegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Das KG hat festgestellt, dass die Beschwerde zulässig (zur Zulässigkeit von Beschwerden gegen Terminsverfügungen Burhoff, EV, Rn 3614 ff.; Burhoff, HV, Rn 2646) und die Aufhebung des Termins rechtswidrig war.
Der KG (a.a.O.) weist darauf hin, "dass die bloße Aufhebung des Termins zur Berufungshauptverhandlung, die ausschließlich der Vermeidung der in der gegebenen Verfahrenslage von Gesetzes wegen gebotenen Bestellung eines Pflichtverteidigers (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO) diente, ersichtlich ermessensfehlerhaft und damit prozessordnungswidrig " war. Die Terminierungsentscheidung wirke, da sie das Urteil nicht vorbereite, sondern letztlich nur den Erlass des Urteils verzögere, ausschließlich verfahrenshemmend. Ein anzuerkennender sachlicher Grund für die Aufhebung des Termins und das Hinausschieben der Neuterminierung, die angesichts des ersichtlich langen Terminsstands der Berufungskammer zu einer maßgeblichen Verzögerung des Berufungsverfahrens in der einfachen Sache führen werde, sei nicht ersichtlich.
Hinweis:
Die landgerichtliche Entscheidung zeigt anschaulich, auf welche Ideen Gerichte kommen, um der Staatskasse die Kosten eines Pflichtverteidigers zu ersparen. Und sie scheuen sich nicht, dies auch offen in die Entscheidung zu schreiben: "zur Ersparung von Kosten für einen andernfalls notwendigen Verteidiger". Nicht zur Nachahmung empfohlen.