Der Beschluss des LG Leipzig vm 15.8.2017 (1 Ks 100 Js 40760/16, StRR 9/2017, 17) beweist mal wieder: Es kann sich "lohnen", bei Facebook mal Nachschau zu halten, und zwar nicht nur wegen der Äußerungen von am Verfahren beteiligten Richtern (vgl. dazu BGH NStZ 2016, 218 = StRR 3/2016, 12), sondern auch wegen der Einträge von Sachverständigen. Die Verteidiger hatten dies in dem beim Schwurgericht anhängigen Verfahren, in dem u.a. auch die Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) im Raum stand, getan und waren fündig geworden: Dort hatten die Verteidiger nämlich ein Posting der Sachverständigen aus dem Verfahren zum G20-Gipfel in Hamburg und zur Sicherungsverwahrung entdeckt. Die Sachverständige hatte anlässlich der Vorkommnisse beim G20-Gipfel in Hamburg u.a. gepostet, dass sie "nicht übel Lust (habe), 75 % der Verfasser, die sich hinter einem Nicknamen verstecken, in die nächstgelegene Sicherungsverwahrung zu begutachten!" Darüber hinaus seien – so die Verteidiger in der Begründung ihres Ablehnungsgesuchs – bei der Sachverständigen auch Zweifel dahingehend angemeldet, dass mit in den Akten enthaltenen höchstpersönlichen Daten gesetzeskonform umgegangen werde, wenn die Sachverständige in ihrem Facebookaccount u.a. auch gepostet habe: "Hurra. Ich werde geliebt. Zwei Umzugskartons von der Staatsanwaltschaft. Mein Wochenende ist gesichert. Freizeitstress wird da nicht aufkommen!"
Der Ablehnungsantrag hatte Erfolg. Das LG hat einen Ablehnungsgrund gem. §§ 74 Abs. 1 S. 1, 24 Abs. 1, 2 StPO bejaht. Noch nicht ausreichend für die Besorgnis der Befangenheit sei der Facebookpost in Bezug auf den Eingang von umfangreichen Akten und die damit begründete Besorgnis, dass mit sensiblen Daten der Angeklagten nicht sorgfältig umgegangen werde. Allerdings sei – so das LG – unter Berücksichtigung der sehr weitreichenden Rechtsprechung des BGH zur Frage von Posts in öffentlich zugänglichen Facebookprofilen (BGH a.a.O.), auch von solchen Äußerungen, die keinen konkreten Bezug zu einem bestimmten Verfahren aufweisen, der von der Sachverständigen gepostete Facebookeintrag zu den Vorkommnissen auf dem G20-Gipfel unter Zugrundelegung dieses strengen Maßstabs geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit der Sachverständigen zu begründen. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Sachverständige mit dem Post offensichtlich das Stilmittel der Übertreibung anwende, um einen humoristischen Effekt zu erzielen. Die Äußerungen seien jedenfalls geeignet, für einen verständigen Angeklagten den Eindruck zu erwecken, dass die Sachverständige die Voraussetzungen einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus sachfremden Erwägungen und nicht objektiv beurteilen könnte. Da die Facebookseite auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit der Sachverständigen enthalte, sei auch ein Bezug zu ihrer beruflichen Tätigkeit gegeben und die Äußerungen nicht nur als im privaten Rahmen abgegeben zu werten, zumal das Facebookprofil öffentlich zugänglich sei. Unter Zugrundelegung des strengen Maßstabs des BGH (a.a.O.) seien die Äußerungen damit geeignet, dass ein Angeklagter den Eindruck gewinnen könnte, dass es der Sachverständigen an der gebotenen Neutralität mangele.
Den Einwand der Sachverständigen, dass dies der Unschuldsvermutung entgegenlaufe und ein sicherer Nachweis der die Befangenheit begründenden Umstände erfolge müsse, hat das LG (a.a.O.) zurückgewiesen. Zur Begründetheit des Befangenheitsantrags sei es gerade nicht erforderlich, dass die abgelehnte Person tatsächlich befangen sei, sondern nur, dass unter Beurteilung eines verständigen Angeklagten ein Misstrauen in die Unparteilichkeit gerechtfertigt erscheine und der Eindruck der mangelnden Neutralität aus Sicht eines verständigen Angeklagten erweckt werde. Insofern sei nicht entscheidend, dass der abgelehnte Richter oder Sachverständige tatsächlich diese innere Haltung aufweise. Dies beinhalte auch keine Vorverurteilung der Sachverständigen, der überdies keinerlei strafrechtsrelevante Handlungen im Zusammenhang mit dem Facebookpost zur Last gelegt würden.
Hinweise:
Zur Befangenheit aufgrund der Äußerungen bei Facebook hat es in der letzten Zeit vermehrt Rechtsprechung gegeben:
- Facebook-Eintrag eines Vorsitzenden einer Strafkammer, der dort mit einem T-Shirt mit der Aufschrift: "Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA ..." abgebildet war (BGH NStZ 2016, 218 = StRR 3/2016, 12) – das ist die Entscheidung, die das LG zur Grundlage seines Beschlusses gemacht hat.
- Das KG hat im seinem Beschluss vom 25.5.2016 (3 ARs 5/16, NStZ-RR 2016, 252) eine Berliner Schöffin ihres Amtes enthoben (§ 51 GVG). Grund: Die Schöffin hatte im Internet, und zwar in ihrem Facebook-Profil, Hassbotschaften gegen Pädophile und Ausländer verbreitet und die Todesstrafe, harte Körperstrafen und Selbstjustiz propagiert. Das KG hat darin eine gröbliche Verletzung der Amtspflichten gesehen.
- In dem Verfahren des LG Düsseldorf (Beschl. v. 2.6.2017 – 20 KLs 70 Js 3429/14-10/15) befasste sich das Gericht ...