Bei einem Zusammenstoß eines Kraftfahrzeugs mit einer Eisenbahn ist zu beachten, dass der Eisenbahnbetreiber sich grundsätzlich infolge des fehlenden Ausweichvermögens, der großen Bewegungsenergie und des längeren Bremswegs eine höhere (einfache) Betriebsgefahr anrechnen lassen muss.
1. Unfälle auf unbeschranktem Bahnübergang
Ist der Übergang durch eine Warnlichtanlage gesichert und übersieht der Kfz-Fahrer die ordnungsgemäß funktionierende Warnlichtanlage, hat der Fahrzeughalter bei einem Zusammenstoß aufgrund des Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVO i.d.R. die volle Haftung zu tragen. Eine Mithaftung der Bahn in Höhe der normalen Betriebsgefahr kommt allenfalls z.B. beim Betrieb einer veralteten Warnlichtanlage in Betracht (BGH NZV 1994, 146 [67 % Bahn]; OLG Celle NZV 1994, 435; OLG Hamm NZV 1994, 437 [25 % Bahn]; OLG Oldenburg NZV 1999, 419 [33 % Bahn]; Grüneberg, a.a.O., Rn 340 f.).
Ist die Warnlichtanlage außer Betrieb oder steht deren Funktionstauglichkeit nicht fest, ist i.d.R. eine Schadensteilung mit einem überwiegenden Haftungsanteil zu Lasten der Bahn vorzunehmen, da das Verschulden des Kfz-Fahrers, der allerdings nicht ohne Weiteres auf das fehlende Aufleuchten der Warnlichtanlage vertrauen darf, geringer zu werten ist (OLG Hamburg VersR 1983, 740 [60 % Bahn]; OLG Stuttgart VersR 1979, 1129 [60 % Bahn]).
Bei einem Zusammenstoß auf einem nur durch Warnkreuz und/oder Warnbaken gesicherten Übergang hat der Kfz-Halter aufgrund des Vorrangs des Schienenverkehrs gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StVO i.d.R. die weit überwiegende oder sogar volle Haftung zu tragen. Eine Mithaftung der Bahn bis zu 50 % kommt allerdings vor allem dann in Betracht, wenn die Sicherungsvorrichtungen aufgrund der Verkehrsfrequentierung des Übergangs nur als unzureichend angesehen werden können, wenn die Lok zu schnell fährt oder der Lokführer verspätet reagiert (BGH VersR 1967, 1197 [50 %]; OLG München VersR 1993, 242 [100 % Kfz]; OLG Oldenburg VRS 103, 354 [33 % Bahn].
Bei einem Zusammenstoß auf einem gänzlich ungesicherten Übergang richtet sich die Haftungsverteilung nach den Umständen des Einzelfalls, da auch an diesen Übergängen dem Schienenverkehr gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 StVO der Vorrang zustehen kann (vgl. die Zusammenstellung bei Grüneberg, a.a.O., Rn 345 f.).
2. Unfälle auf beschranktem Bahnübergang
Bei einem Unfall trotz geschlossener Schranken (§ 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVO) ist grundsätzlich von der Alleinhaftung des Kfz-Halters auszugehen. Eine Schadensteilung kommt allerdings dann in Betracht, wenn die Schranken aufgrund der örtlichen Umstände (insbesondere bei Dunkelheit oder diesigem Wetter) für den Kfz-Fahrer schlecht zu erkennen sind (BGH VersR 1967, 132; OLG München NZV 2002, 43).
Bei einem Unfall infolge nicht ordnungsgemäß geschlossener Schranken kommt i.d.R. eine Schadensteilung in Betracht, da in einem solchen Fall der Kfz-Fahrer bei der Überquerung des Bahnübergangs i.d.R. nicht vorsichtig genug gefahren ist (OLG Frankfurt VRS 3, 251 [75 % Bahn]; OLG München VersR 1960, 1054 [25 % Bahn]).
Hinweis:
Bei einem Zusammenstoß infolge geöffneter Schranken ist im Grundsatz von der Alleinhaftung des Bahnbetreibers auszugehen; eine Mithaftung des Kfz-Halters kommt dann in Betracht, wenn der herannahende Zug für den Kfz-Fahrer erkennbar gewesen ist (BGH VersR 1956, 623; OLG Hamm NJW 2016, 332).
3. Unfälle auf Rangier- oder Werksgelände
Fährt das Kfz im Gleisbereich, ist i.d.R. von der Alleinhaftung des Kfz-Halters auszugehen (OLG Hamm VersR 1973, 41; OLG Köln VersR 1954, 436). Bei einem Zusammenstoß mit einem im Gleisbereich parkenden Fahrzeug kommt i.d.R. die Alleinhaftung des Kfz-Halters in Betracht. Eine Schadensteilung ist lediglich dann vorzunehmen, wenn das Kfz deutlich sichtbar in den Schienenbereich hineinragt und dies für den Lokführer rechtzeitig zu erkennen ist (OLG Saarbrücken r+s 1980, 54; Grüneberg, a.a.O., Rn 354).