1. Fußgänger geht entlang der Straße
Geht der Fußgänger am für ihn linken Fahrbahnrand, ist i.d.R. von einer vollen oder deutlich überwiegenden Haftung des Kfz-Halters auszugehen, da das Gehen am linken Fahrbahnrand bei Fehlen eines Gehwegs nicht verkehrswidrig ist (§ 25 Abs. 1 StVO; vgl. BGH VersR 1967, 706; OLG Karlsruhe VRS 76, 248). Eine Mithaftung des Fußgängers von allenfalls 20–25 % ist nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Fußgänger bei Herannahen des Kfz hätte neben die Fahrbahn treten müssen (OLG Celle VersR 1970, 187 [25 %]; OLG Oldenburg VersR 1987, 1150 [20 %]). Kommt das Fahrzeug allerdings bei Dunkelheit entgegen, ist regelmäßig von einer Mithaftung des Fußgängers auszugehen, da er bei Herannahen eines entgegenkommenden Fahrzeugs, das gerade bei Dunkelheit aufgrund seiner Beleuchtung gut zu erkennen ist, grundsätzlich neben die Fahrbahn treten sollte (BGH NJW 1976, 288 [67 %]; OLG Hamm r+s 1995, 379 [25 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 404).
Geht der Fußgänger am für ihn rechten Fahrbahnrand, ist im Regelfall ebenfalls die volle Haftung des Kfz-Halters in Betracht zu ziehen, außer in den Fällen, in denen der Fußgänger kurz vor dem herannahenden Fahrzeug auf die Fahrbahn tritt (BGH NJW 1964, 1565; Grüneberg, a.a.O., Rn 405). Ist allerdings ein Gehweg vorhanden und dieser begehbar (§ 25 Abs. 1 S. 1 StVO), trifft den Fußgänger eine Mithaftung von 1/5 bis 2/3, wenn er dennoch am Fahrbahnrand entlang geht (BGH VersR 1968, 1092 [33 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 406). Beim Schieben eines Karrens, Fahrrads etc. (§ 25 Abs. 2 StVO) kommt u.U. eine leichte Mithaftung des Fußgängers von 1/4 oder 1/3 deshalb in Betracht, weil er dadurch nicht am äußersten Fahrbahnrand gehen kann. Bei Dunkelheit trifft den Fußgänger die besondere Beleuchtungspflicht des § 17 Abs. 5 StVO (BGH VersR 1960, 804 [25 %]).
Befindet sich der Fußgänger auf der rechten Fahrbahnhälfte, ist i.d.R. eine Mithaftung des Fußgängers von mindestens 20 % in Betracht zu ziehen, die sich je nach dem Abstand zum Fahrbahnrand weiter erhöhen und beim Vorliegen weiterer Verschuldensmerkmale (Alkoholeinwirkung, Gehen auf einer Hauptverkehrsstraße) sogar zu dessen Alleinhaftung verdichten kann (§ 25 Abs. 1 S. 3, 4 StVO; vgl. BGH VersR 1968, 603 [50 %]; OLG Celle NJW 2018, 77 [100 %]; OLG Schleswig VersR 1983, 691 [50 %]).
2. Fußgänger überquert die Straße
- Fußgänger tritt kurz vor dem Kfz auf die Fahrbahn (max. 50 m): In dieser Fallgruppe ist grundsätzlich von der vollen Haftung des Fußgängers auszugehen (§ 25 Abs. 3 StVO); eine Mithaftung des Kfz-Halters ist allerdings bei einer überhöhten Geschwindigkeit (§ 3 StVO) oder bei der Einhaltung eines zu knappen Seitenabstands zum Fahrbahnrand (§ 5 Abs. 4 S. 2 StVO) in Betracht zu ziehen (BGH VersR 1975, 1121; KG NZV 2010, 149; OLG Düsseldorf NJW-RR 2018, 925 [20 %]; OLG Hamm NJW-RR 2018, 1233 [33 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 412 f.).
- Fußgänger befindet sich noch vor der Mittellinie: In dieser Fallgruppe ist i.d.R. von einer Schadensteilung auszugehen, da beide Verkehrsteilnehmer den Unfall mitverursacht haben. Die Quotelung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Hat sich der Unfall bei Dunkelheit ereignet, wird der Mithaftungsanteil des Fußgängers wegen der besseren Erkennbarkeit des (beleuchteten) Fahrzeugs sogar höher sein (BGH VersR 1959, 369 [50 %]; OLG Düsseldorf zfs 2013, 676 [100 %]; OLG Köln NZV 2002, 131 [25 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 414 f.).
Fußgänger hat die Mittellinie bereits überschritten: Kommt das Fahrzeug aus Sicht des Fußgängers von rechts, wird i.d.R. eine Schadensteilung vorzunehmen sein, da beide Verkehrsteilnehmer den jeweils anderen rechtzeitig hätten sehen können und im Zweifel falsch reagiert haben (der Fußgänger hätte an der Mittellinie warten können, während der Kfz-Fahrer hätte abbremsen oder anhalten können; vgl. BGH VersR 1955, 627 [20 % Fußgänger]; OLG Hamm NJW-RR 2017, 988 [67 % Fußgänger]; Grüneberg, a.a.O., Rn 416). Ereignet sich der Unfall bei Dunkelheit, dürfte i.d.R. eine Schadensteilung (1:1) in Betracht kommen, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die für eine überwiegende Haftung des Kfz-Halters (z.B. fehlendes Fahrlicht) oder für eine überwiegende Haftung des Fußgängers (z.B. dunkle Kleidung oder plötzliches Auftauchen aus einer dunklen Straßenzone) sprechen (BGH VersR 1966, 736; OLG Hamm NZV 2008, 411 [100 % Fußgänger]; OLG Saarbrücken r+s 2010, 479 [100 % Fußgänger]; Grüneberg, a.a.O., Rn 417).
Kommt das Fahrzeug aus Sicht des Fußgängers von links, ist im Regelfall eine überwiegende Mitverursachung durch das Kfz (bis zur Alleinhaftung) anzunehmen, da sich der Unfall im Grundsatz beim Verbleiben des Kfz auf seiner Fahrspur nicht ereignet hätte (BGH VersR 1967, 1202 [100 %]; OLG München NZV 1996, 115 [100 %]; NZV 1994, 188 [100 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 418 f.).
- Fußgänger hat die andere Straßenseite fast erreicht: Auch wenn der Fußgänger die Überquerung der Straße nahezu abgeschlossen hat, geht die Rechtsprechung in diesen Fällen i.d.R. von einer Schadensteilung mit einer teilweise nicht unerheblichen Haftungsquote zu Lasten des Fußgän...