Bei dem Unfall eines Kfz aufgrund der Verletzung einer einem anderen obliegenden Verkehrssicherungspflicht kommt eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen nur im Falle einer schuldhaft begangenen Pflichtverletzung in Betracht (§ 823 BGB; s. Grüneberg ZAP F. 9, S. 1022 ff.). Die Haftungsverteilung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Praxisrelevant sind vor allem die nachfolgenden Fallgruppen:
1. Kollision mit einem in die Fahrbahn ragenden Arbeitsgerät
Wer Arbeitsgeräte (Maschine, Kran, Gerüst) oder sonstige Gegenstände in den Fahrbahnbereich verbringt, unterliegt der besonderen Sorgfaltspflicht des § 32 Abs. 1 StVO. Bei einem Unfall wird i.d.R. eine beiderseitige Mitverursachung vorliegen, so dass eine Schadensteilung, die sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, vorzunehmen ist. In der Regel wird allerdings der Halter des auffahrenden Kfz den überwiegenden Haftungsanteil zu tragen haben. Dies gilt vor allem bei dem Auffahren auf ein Arbeitsfahrzeug auf einer Autobahn (BGH DAR 1981, 320 [Absperranhänger einer sog. beweglichen Baustelle]; VersR 1966, 589 [Kehrmaschine]; VersR 1965, 716 [Arbeitsfahrzeug]).
Gleiches gilt, wenn der Verkehrssicherungspflichtige zwar Sicherungsmaßnahmen getroffen hat, diese aber nur unzureichend waren, so z.B. bei einem Arbeitsfahrzeug, das an einer Ampelanlage Reparaturarbeiten durchführt, durch Warnfarben gekennzeichnet ist und durch eingeschaltete Rundumleuchten von Weitem zu erkennen ist, aber keine Leitkegel aufgestellt worden waren (KG VersR 1977, 230 [25 %]), oder bei einem Kranabbau, bei dem ein teilweise verdecktes Seil herabhängt, ohne dass vor dem Kranabbau gewarnt worden ist (OLG Stuttgart VersR 1981, 361 [50 %]).
Hinweis:
Ein höherer Haftungsanteil des Verkehrssicherungspflichtigen kommt vor allem dann in Betracht, wenn Sicherungsmaßnahmen fehlen und das Hineinragen des Arbeitsgeräts bzw. eines Teils davon in die Fahrbahn nur schwer zu erkennen war (OLG Düsseldorf r+s 1976, 32 [75 % bei dunkelfarbiger Deichsel eines Bauwagens]; OLG Stuttgart VersR 1954, 28 [80 % für unbeleuchtete Straßenwalze]).
2. Kollision mit einem in die Fahrbahn ragenden Baum
Bei der Kollision eines Kfz mit einem in die Fahrbahn ragenden Baum richtet sich die Haftungsquote des Kfz u.a. nach der Erkennbarkeit des Baums bzw. des Astes, nach der Ortskundigkeit des Fahrers und nach seiner Geschwindigkeit. In der Regel wird eine Mithaftung des Kfz-Halters von 25–75 % in Betracht kommen (KG VersR 1973, 187 [50 %]; OLG Dresden NZV 1997, 308 [50 %]; OLG Frankfurt VersR 1993, 988 [20 %]; OLG Köln VRS 22, 2 [75 %]; Grüneberg, a.a.O., Rn 524). Eine Mithaftung des Kfz-Halters kann bei einer groben Pflichtverletzung des Verkehrssicherungspflichtigen aber auch zurücktreten (OLG Brandenburg NZV 1998, 25 [Erkennbarkeit der Rindenauflösung]; OLG Köln NZV 1991, 190 [starker Fäulnisherd am Stammfuß]).
3. Unfälle im Baustellenbereich
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht s. Grüneberg ZAP F. 9, S. 1024. Die Mithaftungsquote des Kfz-Halters richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Generelle Aussagen lassen sich nicht treffen. Die volle Haftung des Kfz-Halters ist z.B. anzunehmen, wenn er in eine gesperrte Fahrbahnhälfte einfährt und dort in einer Baugrube verunfallt, obwohl auf die Bauarbeiten durch Warnschilder und gelagertes Baumaterial hingewiesen worden ist (OLG Jena NZV 2009, 553; KG VM 2010, 43 [50 %]), oder wenn das Kfz auf einem nach Reparaturarbeiten mit Rollsplitt bedeckten Straßenabschnitt ins Schleudern gerät, obwohl vor dieser Gefahr ordnungsgemäß gewarnt worden ist (OLG Koblenz MDR 1997, 832).
Eine Mithaftung des Kfz-Halters kommt in Betracht, wenn das Kfz in einer nicht abgesicherten Baugrube, auf die allerdings als solche hingewiesen worden ist, infolge nicht angepasster Geschwindigkeit verunfallt (OLG Jena NZV 2006, 248 [50 %]), oder wenn ein innerhalb des Halteverbots eines Baustellenbereichs parkendes Kfz durch ein umfallendes, nicht ordnungsgemäß befestigtes Baustellenschild beschädigt wird (AG Heidelberg DAR 1993, 269 [50 %]). Die alleinige Haftung des verkehrssicherungspflichtigen Bauunternehmers ist anzunehmen, wenn ein Kfz bei Dunkelheit in eine Baustelle fährt, deren Absperrungen unbeleuchtet und teilweise durch andere Fahrzeuge bereits weggeschleudert worden sind (BGH VersR 1962, 1158).