Nur kurze Zeit nach Inkrafttreten des RVG hatte der BGH die Auffassung vertreten, für die Festsetzung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG sei der Abschluss eines Vergleichs i.S.v. § 779 BGB und die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erforderlich (BGH RVGreport 2006, 234 [Hansens] = AGS 2006, 403 m. Anm. N. Schneider). Kurze Zeit später hat der BGH seinen Fehler erkannt und festgestellt, dass es für die Festsetzung einer Einigungsgebühr genüge, wenn glaubhaft gemacht werde, dass die Parteien eine Vereinbarung i.S.v. Abs. 1 S. 1 der Anm. zu Nr. 1000 VV RVG geschlossen haben. Somit sei die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht erforderlich (so BGH RVGreport 2007, 275 [Hansens] = zfs 2007, 469 m. Anm. Hansens = AGS 2007, 366). Diese – richtige – Auffassung hat sich in der Praxis und in der Rechtsprechung seitdem durchgesetzt.
Dass einer Verfahrensbeendigung – etwa durch Teilklagerücknahme und Teilanerkenntnis – eine Vereinbarung der Parteien zugrunde liegt, ist den Gerichtsakten im Regelfall nicht zu entnehmen. Deshalb muss von der erstattungsberechtigten Partei vorgetragen und vom Gericht festgestellt werden dass die Erklärungen der Prozessbevollmächtigten ihre Grundlage in einem Einigungsvertrag gehabt haben. Dies wird in der Praxis jedoch nicht immer beachtet (s. Thür. OLG RVGreport 2017, 139 [Hansens]; OLG Köln RVGreport 2016, 463 [Hansens]). Folglich hat die erstattungsberechtigte Partei den Abschluss eines entsprechenden Einigungsvertrags im Kostenfestsetzungsverfahren darzulegen und im Streitfall gem. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft zu machen (OLG Frankfurt RVGreport 2018, 419 [Hansens] = Jur Büro 2018, 465).
Praxishinweis (Einigungsvertrag wurde geschlossen):
Haben die Parteien vor Abgabe verfahrensbeendender Erklärungen tatsächlich einen Einigungsvertrag geschlossen, aber keinen gerichtlichen Vergleich protokollieren lassen, so empfiehlt es sich, in der Sitzungsniederschrift einen entsprechenden Vermerk über die vertragliche Einigung der Parteien aufnehmen zu lassen oder einen entsprechenden Schriftsatz mit etwa folgendem Wortlaut einzureichen: "Die Parteien haben hinsichtlich der Erledigung des Rechtsstreits folgende Vereinbarung geschlossen: Der Kläger nimmt die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 3 und 4 zurück. Der Beklagte erkennt die Klage im Übrigen an und übernimmt die gesamten Kosten des Rechtsstreits."
Dies lässt sich in der Praxis naturgemäß nicht immer verwirklichen. Denn bei solchen Formulierungen merkt auch der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, dass sein Mandant die Erstattung der Einigungsgebühr nicht wird vermeiden können. Werden hingegen lediglich die verfahrensrechtlichen Erklärungen abgegeben, so hat der Beklagte noch die Chance, dass der Kläger einen diesen Erklärungen zugrunde liegenden Einigungsvertrag im Kostenfestsetzungsverfahren nicht darlegen und glaubhaft machen kann.
Praxishinweis (kein Einigungsvertrag geschlossen):
Ist hingegen kein Einungsvertrag geschlossen worden, so sollten die Anwälte auf die Aufnahme eines entsprechenden Vermerks in der Sitzungsniederschrift drängen oder vorab entsprechende Schriftsätze bei Gericht einreichen. Diese könnten etwa folgenden Inhalt haben: "Ohne vorherigen Abschluss eines Einigungsvertrags geben die Parteien folgende Prozesserklärungen ab: Der Kläger nimmt die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 3 und 4 zurück. Der Beklagte erkennt die Klage im Übrigen an und übernimmt die gesamten Kosten des Rechtsstreits."
Dann steht für das Kostenfestsetzungsverfahren und im Übrigen auch im Verhältnis zum eigenen Mandanten fest, dass die Anwälte einen Einigungsvertrag auch nicht stillschweigend geschlossen haben und ihnen damit auch keine Einigungsgebühr angefallen ist.