Im Regelfall fällt dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten die Einigungsgebühr an, wenn er an dem Abschluss eines vor Gericht geschlossenen Einigungsvertrags, der vielfach aufgrund eines gegenseitigen Nachgebens zustande gekommen ist und deshalb auch einen Vergleichsvertrag i.S.v. § 779 Abs. 1 BGB darstellt, mitwirkt. In der Praxis kommen aber auch Fallgestaltungen vor, in denen es nicht so eindeutig ist, ob ein solcher Einigungsvertrag geschlossen wurde.
1. Gesetzliche Regelung
Nach Absatz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 1000 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Ein für den Vergleich nach § 779 Abs. 1 BGB und für die frühere Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO erforderliches gegenseitiges Nachgeben der Vertragsparteien setzt die Einigungsgebühr nicht voraus. Die Einigungsgebühr entsteht nur dann nicht, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt.
2. Form der Einigung
Der Anfall der Einigungsgebühr erfordert somit nicht zwingend den Abschluss eines Vergleichsvertrags i.S.v. § 779 BGB. Ebenso wenig ist die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO notwendig (s. BGH RVGreport 2007, 275 [Hansens] = zfs 2007, 469 m. Anm. Hansens = AGS 2007, 366; Thür. OLG RVGreport 2017, 139 [Hansens]; OLG Frankfurt RVGreport 2018, 419 [Hansens] = JurBüro 2018, 465). Vielmehr kann der Einigungsvertrag auch stillschweigend geschlossen werden. Er ist auch nicht formbedürftig. Dabei muss jedoch Folgendes beachtet werden:
a) Abgabe einseitiger Erklärungen
Geben die Prozessbevollmächtigten der Parteien (in der mündlichen Verhandlung) einseitige Erklärungen ab, führt dies im Regelfall noch nicht zum Anfall einer Einigungsgebühr. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Prozessbevollmächtigen ihre jeweiligen Prozesshandlungen unabhängig von der Erklärung der anderen Partei bzw. ihres Rechtsanwalts vorgenommen haben. Regelbeispiel hierfür sind die Erklärungen im Zusammenhang mit der Hauptsacheerledigung. Die Abgabe der – auch übereinstimmenden – Erklärungen der Prozessbevollmächtigten der Parteien, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, löst deshalb für sich genommen noch keine Einigungsgebühr aus (s. OLG Köln RVGreport 2015, 370 [Hansens]; OLG Hamm AGS 2014, 166; SG Frankfurt RVGreport 2013, 469 [Hansens).
b) Einigungsvertrag
Demgegenüber kann eine Einigungsgebühr dann entstehen, wenn den Prozesserklärungen der Parteien ein Einigungsvertrag zugrunde liegt (s. OLG Köln RVGreport 2007, 66 [Hansens] = JurBüro 2006, 588; Bay. VGH RVGreport 2008, 385 [Hansens]; OLG Stuttgart RVGreport 2011, 178 [Hansens] = AGS 2012, 128). Dies erfordert somit, dass die Prozessbevollmächtigten der Parteien einen Einigungsvertrag geschlossen haben (s. KG RVGreport 2005, 424 [Hansens]).
c) Teilanerkenntnis und Teilklagerücknahme
Unter Beachtung dieser Ausführungen kann die Einigungsgebühr auch dann anfallen, wenn die Klage teilweise anerkannt und zum anderen Teil zurückgenommen wurde. Dies setzt voraus, dass diese Art der Verfahrenserledigung zwischen den Parteien vereinbart worden ist und es sich deshalb nicht um die Vornahme von Prozesshandlungen unabhängig von der Erklärung der anderen Partei handelt (s. OLG Stuttgart RVGreport 2011, 178 [Hansens] = AGS 2012, 128: OLG Frankfurt RVGreport 2018, 419 [Hansens] = JurBüro 2018, 465).
3. Darlegung im Kostenfestsetzungsverfahren
Nur kurze Zeit nach Inkrafttreten des RVG hatte der BGH die Auffassung vertreten, für die Festsetzung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG sei der Abschluss eines Vergleichs i.S.v. § 779 BGB und die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erforderlich (BGH RVGreport 2006, 234 [Hansens] = AGS 2006, 403 m. Anm. N. Schneider). Kurze Zeit später hat der BGH seinen Fehler erkannt und festgestellt, dass es für die Festsetzung einer Einigungsgebühr genüge, wenn glaubhaft gemacht werde, dass die Parteien eine Vereinbarung i.S.v. Abs. 1 S. 1 der Anm. zu Nr. 1000 VV RVG geschlossen haben. Somit sei die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht erforderlich (so BGH RVGreport 2007, 275 [Hansens] = zfs 2007, 469 m. Anm. Hansens = AGS 2007, 366). Diese – richtige – Auffassung hat sich in der Praxis und in der Rechtsprechung seitdem durchgesetzt.
Dass einer Verfahrensbeendigung – etwa durch Teilklagerücknahme und Teilanerkenntnis – eine Vereinbarung der Parteien zugrunde liegt, ist den Gerichtsakten im Regelfall nicht zu entnehmen. Deshalb muss von der erstattungsberechtigten Partei vorgetragen und vom Gericht festgestellt werden dass die Erklärungen der Prozessbevollmächtigten ihre Grundlage in einem Einigungsvertrag gehabt haben. Dies wird in der Praxis jedoch nicht immer beachtet (s. Thür. OLG RVGreport 2017, 139 [Hansens]; OLG Köln RVGreport 2016, 463 [Hansens]). Folglich hat die erstattungsberechtigte Partei den Abschluss eines entsprechenden Einigungsvertrags im Kostenfestsetzungsverfahren darzulegen und im Streitfall gem. § 1...