Die Parteien streiten vorrangig über die Wirksamkeit von drei Kündigungen. Der Kläger ist bei der Beklagten, einer Zeitarbeitsfirma, als Kfz-Meister beschäftigt. Das KSchG findet Anwendung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit drei Schreiben: vom 29.6.2016 zum 31.12.2016, vom 28.7.2016 zum 31.1.2017 und mit Schreiben vom 29.7.2016 erneut zum 31.1.2017. Der Kläger nahm die mit den ersten beiden Kündigungen vom 29.6. und 28.7.2016 verbundenen Vertragsangebote jeweils rechtzeitig unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung an und erhob fristgerecht Änderungsschutzklage. Hinsichtlich des ihm mit der Kündigung vom 29.7.2016 unterbreiteten Vertragsangebots erklärte er sich zunächst nicht und griff diese Kündigung auch nicht innerhalb von drei Wochen ab ihrem Zugang mit einem eigenen Klageantrag an. Während der Kündigungsfrist nahm der Kläger das Angebot der Beklagten, an den Änderungskündigungen vom 29.6. und 28.7.2016 nicht festzuhalten, an und erweiterte zugleich die Klage u.a. um einen Beendigungsschutzantrag gegen die dritte Kündigung.
ArbG und LAG haben der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Revision der Arbeitgeberin hat nur bzgl. der Kündigungsschutzanträge vom 29.6. und 28.7. sowie des Weiterbeschäftigungsantrags Erfolg, es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis nach der Kündigungsrücknahmevereinbarung. Die dritte Kündigung (29.7.2016) ist rechtsunwirksam. Das BAG (Urt. v. 24.5.2018 – 2 AZR 67/18, NZA 2018, 1127) hat erstmalig entschieden, dass ein Änderungsschutzantrag nach § 4 S. 2 KSchG die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG für eine nachfolgende Beendigungskündigung wahrt, die vor dem oder zeitgleich mit dem "Änderungstermin" der ersten Kündigung wirksam werden soll, jedenfalls dann, wenn der Kläger die Unwirksamkeit der Folgekündigung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz mit einem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG geltend macht. Zwar war die Annahme nach vier Monaten verspätet, doch hat der Bestandsschutzantrag vom 29.7.2016 Erfolg. Der Zweite Senat wendet § 4 S. 1 KSchG i.V.m. § 6 KSchG analog an. Das BAG geht von der Rechtsprechung zum sog. erweiterten punktuellen Streitgegenstand bei der Beendigungskündigung aus. Das gelte auch für die Änderungskündigung, wenn ein Beendigungsschutzantrag nach § 4 S. 1 KSchG gestellt wurde. Gleichermaßen gelte dies für einen Änderungsschutzantrag nach § 4 S. 2 KSchG, der wie ein "kleiner Schleppnetzantrag" wirke. Auch bei der "Nichtänderungsklage" werde nicht nur punktuell über die Wirksamkeit der Kündigung und des verbundenen Änderungsangebots entschieden, weil eine Nichtbeendigung vor dem Ablauf der Kündigungsfrist vorausgesetzt werde.
Hinweise:
Der Zweite Senat überträgt die Grundsätze des sog. erweiterten punktuellen Streitgegenstandsbegriffs, die er zur Beendigungskündigung (BAG, Urt. v. 18.12.2014 – 2 AZR 163/14 Rn 29, BAGE 150, 234) entwickelt hat,
- auf die nicht angenommene Änderungskündigung und
- gleichermaßen auf die angenommene Änderungskündigung.
Die unterschiedliche Antragsfassung spiele keine Rolle. § 6 KSchG habe zum Ziel, den Arbeitnehmer davor zu bewahren, seinen Kündigungsschutz aus formalen Gründen zu verlieren, weshalb die Norm trotz ihrer (zu engen) Formulierung nicht nur auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe anzuwenden ist.
- Der Zweite Senat hat die Frage, ob es zur Fristwahrung erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer die nachfolgende Kündigung noch vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz mit einem Antrag gem. § 4 S. 1 KSchG erfasst, offen gelassen. Er hat aber seine Neigung, dies zu bejahen, offenbart. Gegebenenfalls wäre die Pflicht des Gerichts zur materiellen Prozessleitung nach § 139 ZPO zu beachten.
- Haben die Parteien vereinbart, dass Kündigungen keine Wirkung entfalten sollen, fehlt einer Kündigungsschutzklage das Rechtsschutzbedürfnis. Das gilt auch bei einer Änderungsschutzklage. Eine Kündigungsschutzklage kann nicht auf die "Kündigungsrücknahmevereinbarung" gestützt werden.