Der Zweite Senat bestätigt seine Rechtsprechung zur Bezugnahmeklausel und wendet die Rechtsprechung erstmalig auf eine Änderungskündigung an (BAG, Urt. v. 27.3.2018 – 4 AZR 208/17, EzA-SD 2018, Nr. 19, 4). Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus folgende Differenzvergütungsansprüche der Klägerin auf der Grundlage dynamischer Tarifgeltung. Die Klägerin ist seit 1992 Verkäuferin, zuletzt als Supervisorin, in Duty-Free-Shops der Beklagten an Flughäfen. In dem Arbeitsvertrag vom 21.2.1992 heißt es auszugsweise: "2. Das Anstellungsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen nebst Nachfolgeverträgen sowie etwaigen Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung." Mit Schreiben vom 24.4.2009 sprach die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine ordentliche Änderungskündigung zum 31.10.2009 aus und bot der Klägerin zugleich an, sie über diesen Termin hinaus zu veränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen. In dem Schreiben heißt es dazu u.a.: "Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, Sie über diesen Termin hinaus nahtlos als Verkäuferin/Kassiererin nach Tarifgruppe G II weiterzubeschäftigen. (...) Alle übrigen Vertragsbedingungen würden unverändert bleiben." Die Klägerin nahm das Angebot zu geänderten Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Ihre zunächst gegen die Änderungskündigung erhobene Änderungsschutzklage vor dem ArbG nahm die Klägerin später zurück. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten trat mit Ablauf des 31.12.2011 aus dem Arbeitgeberverband aus und bezahlt eine statische Vergütung i.H.v. 2.641 EUR brutto zuzüglich einer Reinigungspauschale, vermögenswirksamen Leistungen sowie Essensgeld für eine Vollzeittätigkeit. Die Klägerin begehrt Vergütung nach Vergütungsgruppe G II aufgrund Tarifdynamik.
Die Klage hat mit Ausnahme eines Teils der begehrten Zinsen vor dem BAG Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin nach der Vergütungsgruppe G II (nach fünf Jahren der Tätigkeit) des zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt geltenden Entgelttarifvertrags zwischen dem Handelsverband NRW und ver.di für den Einzelhandel in NRW zu vergüten. Die zuletzt im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendende arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel verweist unbedingt zeitdynamisch auf die – aktuellen – Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Änderungsvereinbarung aufgrund der Änderungskündigung vom 24.4.2009 bewirkt einen sog. Neuvertrag. Ob eine Vertragsänderung den gesamten Vertrag erfasst, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Wurde eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht, hindert dies die Annahme eines "Altvertrags" und einer Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG, Urt. v. 18.11.2009 – 4 AZR 514/08 Rn 25, BAGE 132, 261). So ist es vorliegend.
Hinweise:
- Erstmals hat der Vierte Senat entschieden, dass eine Änderungskündigung denselben Grundsätzen wie eine (reine) Änderungsvereinbarung unterliegt, und zugleich seine Rechtsprechung zu Bezugnahmeklauseln, deren Auslegung und der typischen Bedeutung der Klauseln bestätigt.
- Der Vierte Senat wiederholt seine Auslegung, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel eindeutig erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist, wenn folgende Formulierungen benutzt werden: "Alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag [bleiben] unberührt." (vgl. BAG, Urt. v. 7.12.2016 – 4 AZR 414/14 Rn 31; Urt. v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07 Rn 49, BAGE 127, 185) oder "die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter" (vgl. BAG, Urt. v. 21.10.2015 – 4 AZR 649/14 Rn 34). Ein "Altvertrag" mit der Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG, Urt. v. 18.11.2009 – 4 AZR 514/08 Rn 25, BAGE 132, 261) scheidet aus. Es liegt ein Neuvertrag vor, welcher der aktuellen Rechtsprechung des Vierten Senats unter Anwendung der AGB-Kontrolle unterliegt. Dies führt zur dynamischen Geltung der vertraglichen Vereinbarungen.