Das BVerfG erklärt nach § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 S. 1 BVerfGG ein Gesetz grds. für nichtig, das nach seiner Überzeugung mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Die bloße Unvereinbarkeitserklärung einer verfassungswidrigen Norm ist hingegen regelmäßig geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen.
Das ist hier der Fall. Der Gesetzgeber kann insb. auf die Vorgabe der Leistungsminderungen als Sanktionen verzichten, anstelle von Sanktionen die Umstellung von Geldleistungen auf Sachleistungen oder geldwerte Leistungen vorgeben oder auch eine Regelung schaffen, die bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten geringere als die bisher geregelten oder je nach Mitwirkungshandlung unterschiedliche Minderungshöhen vorsieht. Auch hat der Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten, um außergewöhnliche Härten zu verhindern, die durch eine zwingende Sanktionierung entstehen können. Zudem kann er die Dauer einer Sanktion unterschiedlich ausgestalten, indem er nach Mitwirkungshandlungen oder auch zwischen nachgeholter Mitwirkung und der Bereitschaft, in Zukunft mitzuwirken, unterscheidet. Auch sollen Sanktionen, die eine Minderung des Regelbedarfs von mehr als 30 % vorsehen, künftig nicht generell ausgeschlossen sein. Die Regelungen wurden daher nicht für nichtig, sondern für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.
Nach der Urteilsformel gelten bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung durch den Gesetzgeber – hierfür wurde, was unüblich ist, keine Frist gesetzt – die §§ 31a Abs. 1 S. 1, 2 u. 3 und § 31b Abs. 1 S. 3 SGB II in den Fällen des § 31 Abs. 1 SGB II in der Fassung folgender Übergangsregelung weiter:
- Die Leistungsminderung i.H.v. 30 % nach § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II ist mit der Maßgabe anwendbar, dass eine Sanktionierung nicht erfolgen muss, wenn dies im Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde. Insbesondere kann von einer Minderung abgesehen werden, wenn nach Einschätzung der Behörde die Zwecke des Gesetzes nur erreicht werden können, indem eine Sanktion unterbleibt.
- Die gesetzlichen Regelungen zur Leistungsminderung um 60 % sowie zum vollständigen Leistungsentzug (§ 31a Abs. 1 S. 2 u. 3 SGB II) sind mit der Maßgabe anwendbar, dass wegen wiederholter Pflichtverletzung eine Leistungsminderung nicht über 30 % des maßgebenden Regelbedarfs hinausgehen darf und von einer Sanktionierung auch hier abgesehen werden kann, wenn dies zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde. Insbesondere kann auch hier von einer Minderung abgesehen werden, wenn nach Einschätzung der Behörde die Zwecke des Gesetzes nur erreicht werden können, indem eine Sanktion unterbleibt.
- § 31b Abs. 1 S. 3 SGB II zur zwingenden dreimonatigen Dauer des Leistungsentzugs ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Behörde die Leistung wieder erbringen kann, sobald die Mitwirkungspflicht erfüllt wird oder Leistungsberechtigte sich ernsthaft und nachhaltig bereit erklären, ihren Pflichten nachzukommen. Die Minderung darf ab diesem Zeitpunkt nicht länger als einen Monat andauern.