Beweisverwertungsverbote spielen in der Praxis eine große Rolle. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine neuere Entscheidung des BGH. Dieser nimmt im Beschl. v. 19.6.2019 (5 StR 167/19, StraFo 2019, 420 = StRR 8/2019, 14) zur Frage der Auswirkung von Fehlern bei einer polizeilichen Vernehmung Stellung. Das LG hatte den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen hat sich der Angeklagte u.a. mit einer Verfahrensrüge gewandt. Der Rüge hat folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde gelegen: Der Angeklagte wurde am 5.6.2018 als Beschuldigter von der Polizei zu der ihm vorgeworfenen Tat vernommen. Nach Belehrung und Eröffnung des Tatvorwurfs verlangte er, mit seinem Rechtsanwalt reden zu können. Daraufhin wurde die Vernehmung unterbrochen, und einer der Vernehmungsbeamten versuchte vergeblich, den benannten Rechtsanwalt telefonisch zu erreichen. Dem Angeklagten wurde sodann ermöglicht, seinen Vater anzurufen, der den Rechtsanwalt in Kenntnis setzen sollte. Auf die Frage, ob er nun Angaben zur Sache machen wolle, erklärte der Angeklagte, er sage nur, dass er es nicht gewesen sei und nichts davon wisse. Auf weitere Nachfragen und Vorhalt von Ermittlungsergebnissen erfolgte eine ausführliche Vernehmung, in welcher der Angeklagte seine Tatbeteiligung – wie auch in der Hauptverhandlung – weiter bestritt, daneben aber Angaben machte. In der Hauptverhandlung hat die Verteidigung der Verwertung der Angaben der Vernehmungsbeamten widersprochen.
Mit seiner Revision hat der Angeklagte u.a. den fehlenden Hinweis der Vernehmungsbeamten auf den anwaltlichen Notdienst gerügt. Ferner habe nach Unterbrechung der Vernehmung eine weitere Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation erfolgen müssen. Die Rüge hat keinen Erfolg.
Der BGH (a.a.O.) verneint einen Verstoß gegen das Gebot, auf den anwaltlichen Notdienst hinzuweisen (§ 163a Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 S. 4 StPO). Der BGH habe bereits unter Geltung der alten Fassung von § 136 Abs. 1 StPO, in der das Hinweisgebot noch nicht ausdrücklich normiert war, einen Hinweis auf den anwaltlichen Notdienst für entbehrlich gehalten, wenn der Beschuldigte bereits einen bestimmten Rechtsanwalt als Verteidiger benannt hatte (BGH NStZ 2006, 114). In diesem Fall beschränke sich für die Ermittlungsbehörden das Gebot, bei der Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger zu helfen, darauf, eine Verbindung zu dem benannten Rechtsanwalt herzustellen, sofern der Beschuldigte nicht zu erkennen gebe, dass er nach dem Scheitern der Kontaktaufnahme einen anderen Rechtsanwalt als Verteidiger wählen wolle. Dies habe sich – so der BGH – durch die Einfügung des Hinweisgebots in § 136 Abs. 1 S. 4 StPO in der Neufassung vom 27.8.2017 (BGBl I, S. 3295) nicht geändert. Der Gesetzesbegründung, die auf frühere Rechtsprechung zur Erforderlichkeit von ernsthaften Bemühungen der vernehmenden Person verweise, den Beschuldigten bei der Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger zu unterstützen, sei zu entnehmen, dass die gesetzlichen Ergänzungen in § 136 Abs. 1 StPO lediglich klarstellend erfolgt seien (vgl. BT-Drucks 18/9534, S. 22 unter Bezugnahme u.a. auf BGHSt 42, 15, 19). Die Vorschrift des § 136 Abs. 1 S. 4 StPO schütze danach den Beschuldigten, der zwar einen Verteidiger befragen möchte, aber keinen benennt. So habe es sich hier aber nicht verhalten.
Rechtsfehlerhaft sei indes, so der BGH (a.a.O.) weiter, dass die Polizeibeamten die Vernehmung fortgesetzt haben, ohne den Angeklagten erneut über sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers zu belehren. Dies mache seine Angaben unverwertbar. Bringe der Beschuldigte zum Ausdruck, sich mit einem Verteidiger besprechen zu wollen, könne die Vernehmung nach der Rechtsprechung des BGH ohne vorangegangene Konsultation nur fortgesetzt werden, wenn sich der Beschuldigte nach erneutem Hinweis auf sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers mit der Fortsetzung der Vernehmung einverstanden erklärt habe (BGHSt 42, 15, 19; 58, 301, 307; NStZ 2013, 299; darüber hinaus auch ganz h.M. in der Literatur, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 136 Rn 10a; KK/Diemer, StPO, 8. Aufl., § 136 Rn 14). Zweck der wiederholten Belehrung sei letztlich, dem Beschuldigten vor Augen zu führen, dass er sein Recht auf Verteidigerkonsultation nicht durch den fehlgeschlagenen Kontaktversuch verwirkt habe; sie trage dadurch zur Subjektstellung des Beschuldigten bei (Beulke NStZ 1996, 257, 261). Diese Rechtsprechung habe der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum Zweiten Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts vom 27.8.2017 (BGBl I, S. 3295) ausdrücklich gebilligt (BT-Drucks 18/9534, S. 22). Aus diesem Rechtsverstoß folge hier nach der Rechtsprechung des BGH auch ein Beweisverwertungsverbot (vgl. BGHSt 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 ff.; 42, 15, 21 f.).
Hinweis:
Bis hierhin wird man dem BGH (a.a.O.) mit Freuden folgen. Danach dann all...