Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend zu belehren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 46c Abs. 5 S. 2 ArbGG zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen. Das fordert das BAG in einem Beschl. v. 7.8.2019 (5 AZB 16/19, NJW 2019, 2793).
In dem (arbeitsgerichtlichen) Verfahren wurde noch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestritten. Das ArbG hatte der Klage stattgegeben. Urteilsverkündung war am 19.11.2018. Das Urteil wurde der Beklagten, die erstinstanzlich anwaltlich nicht vertreten war, am 5.12.2018 zugestellt. Am 8.1.2019 ging im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des LAG Hamm eine aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) übermittelte Berufungsschrift ein. Nachdem das LAG mit gerichtlichem Schreiben vom 22.1.2019 den Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf die verspätete Einlegung der Berufung hingewiesen hatte, teilte dieser mit Schriftsatz vom 26.1.2019 mit, die Berufungsschrift sei per beA am 28.12.2018 an das LAG übermittelt worden. Hierzu legte er eine Übermittlungsdatei vor, wonach die Berufungsschrift am angegebenen Datum um 10.34 Uhr gesendet wurde. Die weiteren in der Übermittlungsdatei enthaltenen Rubriken "Empfangen" und "Zugegangen" enthielten keine Einträge.
Das LAG hat die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Dagegen ist Revisionszulassungsbeschwerde erhoben worden, die beim BAG keinen Erfolg hatte. Begründung: Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter in seiner Kanzlei über eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle verfügt. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier sei es unerlässlich, den Versandvorgang selbst zu überprüfen. Dies könne ohne Weiteres durch eine Kontrolle der dem Telefax-Sendeprotokoll vergleichbaren automatisierten Eingangsbestätigung (§ 46c Abs. 5 S. 2 ArbGG) erfolgen (vgl. Kulow BRAK-Mitteilungen 2019, 2, 5). Sobald eine an das Gericht versendete Nachricht auf dem in dessen Auftrag geführten Server eingegangen sei, schicke dieser automatisch dem Absender eine Bestätigung über den Eingang der Nachricht. Hieran habe sich mit Einführung des beA nichts geändert, die Eingangsbestätigung werde vom EGVP an das beA versandt. Die Eingangsbestätigung solle dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich gewesen sei oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich seien (BT-Drucks 17/12634, S. 26 zu § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO). Habe der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung erhalten, bestehe damit Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben müsse den Rechtsanwalt zur Überprüfung und ggf. zur erneuten Übermittlung veranlassen (vgl. hierzu Bacher NJW 2015, 2753, 2756).
Hinweise:
Die Grundsätze der Entscheidung gelten nicht nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren, sondern auch im Straf- bzw. Bußgeldverfahren (vgl. § 32a Abs. 5 S. 2 StPO).
Die Grundsätze gelten nach Auffassung des BAG im Übrigen sowohl bei der manuellen als auch bei der elektronischen Führung eines Fristenkalenders. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der laufende Fristen in einem elektronischen Fristenkalender erfasst, durch geeignete Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der Fristeingabe gewährleisten muss. Das kann durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen. In seiner ständigen Rechtsprechung verlangt der BGH, dass die Eingaben in den elektronischen Kalender durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert werden. Unterbleibt dies, sei darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen (BGH NJW 2019, 1456 m.w.N.; ebenso BAG, Beschl. v. 3.7.2019 – 8 AZN 233/19, Rn 8; BSG NJW 2018, 1511; kritisch hierzu Siegmund NJW 2019, 1456, 1458). Unabhängig davon ist jedoch den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Büroorganisation nicht genügt, wenn ein elektronischer Fristenkalender so geführt wird, dass am Tag des Fristablaufs zuvor als erledigt gekennzeichnete Sachen überhaupt nicht mehr in der Fristenliste erscheinen und ein vorheriges versehentliches Löschen der Frist daher bei der Endkontrolle am Abend des Tags nicht mehr erkannt werden kann (vgl. BGH NJW 2001, 76).
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
ZAP F. 22 R, S. 1301–1316