1. Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 StPO)
Der Beschluss des KG vom 25.4.2019 ([3] 161 Ss 42/19 [27/19], StRR 10/2019, 15) nimmt zur Mitteilungspflicht gem. § 243 Abs. 4 StPO bezüglich mit einem anderem Spruchkörper geführten Verständigungserörterungen Stellung. Ergangen ist die Entscheidung zu einem Berufungsverfahren, für das zunächst die 61. Strafkammer des LG Berlin zuständig war. Dort kam es vor Aufruf der Hauptverhandlung zu einem Gespräch über eine dann nicht erfolgte Verständigung, eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch sowie die Verbindung mit dem vorliegenden Verfahren. Der Vorsitzende teilte dies sodann in der Hauptverhandlung mit, hinsichtlich der Verständigung aber nur deren negatives Ergebnis. Der Angeklagte beschränkte die Berufung nach der Mitteilung seines Verteidigers, dass die StA eine Strafaussetzung ausgeschlossen hatte. Das Verfahren wurde dann ausgesetzt. Nach Verbindung mit dem vorliegenden Verfahren teilte der Vorsitzende der jetzt zuständigen 71. Strafkammer in der neuen Hauptverhandlung lediglich mit, dass Gespräche über eine Verständigung i.S.d. § 257c StPO nicht stattgefunden haben.
Der Angeklagte hat mit der Verfahrensrüge einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO gerügt. Damit hatte er keinen Erfolg. Nach Auffassung des KG (a.a.O.) ist zweifelhaft, ob die Vorsitzende der 71. kleinen Strafkammer eine Pflicht zur Mitteilung über den Inhalt des vor der Verfahrensübernahme und -verbindung vor der 61. Strafkammer geführten Erörterungsgesprächs traf. Obergerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage seien bisher nicht ergangen. Anerkannt sei die Pflicht zur Mitteilung der vorausgegangenen Erörterungsgespräche nach erfolgter Neubesetzung der zur Entscheidung berufenen Strafkammer (BGH NJW 2014, 3385; für den Richterwechsel aufgrund erfolgreicher Besetzungsrüge BGH NStZ 2016, 221). Ob nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht eine Pflicht des Vorsitzenden des nunmehr zuständigen Tatgerichts besteht, Erörterungsgespräche, die ein im ersten Rechtsgang zuständiges Tatgericht durchgeführt hat, gem. § 243 Abs. 4 S. 1 StPO mitzuteilen, habe der BGH offengelassen (BGH NStZ 2016, 357 = StRR 4/2016, 7 mit Anm. Deutscher; abgelehnt von OLG Hamburg NStZ 2016, 182). In ähnlicher Weise habe das OLG Saarbrücken entschieden, dass Erörterungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht der Mitteilungspflicht des Berufungsgerichts unterliegen (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.5.2016 – Ss 29/16 [22/16]).
Das KG (a.a.O.) entscheidet sich für ein spruchkörperbezogenes Verständnis der Mitteilungspflicht. Dieser Sichtweise stehe der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Ein solches spruchkörperbezogenes Verständnis von der Mitteilungspflicht beschränke darüber hinaus die Problematik im Zusammenhang mit inhaltlich unzureichenden Aufzeichnungen über Erörterungsgespräche auf die Fälle, in denen die Besetzung des Spruchkörpers in der Zeit zwischen dem Erörterungsgespräch und dem Beginn der Hauptverhandlung wechselt. Denn die Erfüllung der Pflicht zur umfassenden und zutreffenden Mitteilung über Erörterungsgespräche sei immer dann besonders erschwert, wenn die Mitglieder des erkennenden Spruchkörpers an diesen nicht beteiligt gewesen seien und die vorliegenden Aufzeichnungen über die Gesprächsinhalte nicht den Anforderungen an die Mitteilung i.S.d. § 243 Abs. 4 StPO genügten.
Hinweis:
Das Argument des KG (a.a.O.), die neue Strafkammer habe bei fehlerhafter Mitteilung im ersten Durchlauf keine oder nur unzureichende Kenntnis von Ablauf und Inhalt des damaligen Verständigungsgesprächs, ist nur auf den ersten Blick überzeugend. Dies trifft in gleicher Weise bei einer Zurückverweisung an eine andere Strafkammer nach erfolgreicher Revision zu oder bei Neubesetzung der Kammer zwischen zwei Durchläufen. Für die letztere Fallgestaltung hat der BGH (NJW 2014, 3385) mit einer am Schutzzweck des § 243 Abs. 4 StPO orientierten Argumentation deutlich gemacht, dass es mit diesem Schutzzweck nicht vereinbar wäre, in dem Umstand, dass die Besetzung der Strafkammer zwischen dem Gespräch und der Hauptverhandlung hinsichtlich eines oder auch sämtlicher Richter gewechselt hat, einen Grund für den Ausschluss der Mitteilungspflicht zu sehen. In dem vom KG entschiedenen Fall kann kaum etwas anderes gelten (eingehend zur Mitteilungspflicht Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn 2069 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]).
2. Beweisverwertungsverbot nach Vernehmungsfehler der Polizei?
Beweisverwertungsverbote spielen in der Praxis eine große Rolle. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine neuere Entscheidung des BGH. Dieser nimmt im Beschl. v. 19.6.2019 (5 StR 167/19, StraFo 2019, 420 = StRR 8/2019, 14) zur Frage der Auswirkung von Fehlern bei einer polizeilichen Vernehmung Stellung. Das LG hatte den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen hat sich der Angeklagte u.a. mit einer Verfahrensrüge gewandt. Der Rüge hat folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde gelegen: Der Angeklagte wurde am...