Am 24.11.2020 hat das EU-Parlament ein Gesetzgebungsvorhaben gebilligt, das es Verbrauchern künftig ermöglicht, ihre Kräfte zu bündeln und Sammelklagen in der EU anzustrengen. Die neuen Regeln schaffen einheitliche Vorgaben in allen EU-Mitgliedstaaten. Danach müssen die Mitgliedstaaten mindestens eine wirksame Verfahrensform einführen, die es qualifizierten Einrichtungen (z.B. Verbraucherschutzorganisationen oder öffentlichen Stellen) erlaubt, Klagen vor Gericht zu erheben, um die Unterlassung (Einstellung oder Verbot) einer bestimmten Unternehmenspraxis zu erwirken oder eine Entschädigung zu erlangen. Zugleich sollen aber auch missbräuchliche Klagen unterbunden werden.
Nach dem neuen europäischen Sammelklagenmodell dürfen nicht Anwaltskanzleien, sondern ausschließlich qualifizierte Einrichtungen wie Verbraucherschutzorganisationen Verbrauchergruppen vertreten und Klagen vor Gericht bringen. Damit sie länderübergreifende Klagen vor Gericht bringen können, müssen qualifizierte Einrichtungen EU-weit denselben Kriterien genügen. Sie müssen nachweisen, dass sie über ein gewisses Maß an Beständigkeit verfügen, im Dienst der Öffentlichkeit tätig sind und zudem gemeinnützig sind.
Eingeführt werden auch strenge Schutzmaßnahmen gegen missbräuchliche Klagen. Dies soll mit dem Verursacherprinzip bei den Kosten erreicht werden: Die unterlegene Partei trägt die Verfahrenskosten der obsiegenden Partei. Um den Missbrauch von Sammelklagen zu verhindern, soll Strafschadenersatz vermieden werden. Qualifizierte Einrichtungen sollen zudem Verfahren einführen, durch die Interessenkonflikte und externe Einflussnahme abgewendet werden. Das gilt insb. dann, wenn sie von dritter Seite finanziert werden.
Erhoben werden können die Sammelklagen gegen Gewerbetreibende, die – vermeintlich – gegen Unionsrecht verstoßen haben, etwa beim Datenschutz oder in Bereichen wie Reisen und Tourismus, Finanzdienstleistungen, Energie und Telekommunikation. Zulässig sein sollen auch Klagen in Bezug auf frühere Verstöße, die bereits vor Einleitung oder Abschluss des Verfahrens stattgefunden haben. Als Grund dafür wird angeführt, dass eine bestimmte Unternehmenspraxis auch dann untersucht und verboten werden können muss, wenn sie gerade nicht praktiziert wird, damit sich entsprechende Rechtsverstöße in Zukunft nicht wiederholen können.
Der Berichterstatter des EU-Parlaments, Geoffroy Didier aus Frankreich, kommentierte das Vorhaben wie folgt: „Mit dieser neuen Richtlinie haben wir ein Gleichgewicht gefunden zwischen stärkerem Verbraucherschutz und der Schaffung der nötigen Rechtssicherheit für Unternehmen. In einer Zeit, in der Europa auf eine harte Probe gestellt wird, hat die EU bewiesen, dass sie in der Lage ist, den neuen Realitäten gerecht zu werden und zu liefern, seine Bürger besser zu schützen und ihnen als Antwort auf die Globalisierung und ihre Auswüchse ihre Rechte konkret zu stärken.”
Die neue Richtlinie muss nun noch im Amtsblatt der EU verkündet werden und tritt 20 Tage später in Kraft. Anschließend haben die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, und weitere sechs Monate, um sie anzuwenden. Die neuen Regeln gelten dann für Sammelklagen, die am oder nach dem Geltungsbeginn der Richtlinie erhoben werden.
[Quelle: EU-Parlament]