1. Zuständigkeit
Nach § 6 Abs. 1 sind Träger der Leistungen nach dem SGB II die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Landkreise bzw. kreisfreien Städte. Diese bilden zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung eine gemeinsame Einrichtung; Einzelheiten ergeben sich aus den §§ 44b ff. Nach Maßgabe von § 6a können kommunale Träger weitgehend auch für die an sich der BA übertragenen Aufgaben zuständig werden. Diese sind in der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24.9.2004 (BGBl I, S. 2349) aufgeführt. Sowohl die gemeinsame Einrichtung als auch die zugelassenen Träger werden als Jobcenter bezeichnet, § 6d.
Die zunächst im Gesetz vorgesehene Trägerschaft in Arbeitsgemeinschaften hat das BVerfG als eine vom GG nicht zugelassene Mischverwaltung beanstandet (Urt. v. 20.12.2007 – 2 BvR 2434/04, NJW 2008, 1212).
Für die örtliche Zuständigkeit ist auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Leistungsberechtigten abzustellen, hilfsweise auf den tatsächlichen Aufenthalt (§ 36).
2. Verfahrensgrundsätze
a) Antragserfordernis
Gemäß § 37 Abs. 1 werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag erbracht, nicht für Zeiten vor Antragstellung. Der Antrag wirkt auf den Ersten des Monats zurück, § 37 Abs. 2 S. 2. Der Antrag umfasst nach § 37 Abs. 1 S. 2 regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen, außer denen auf Darlehen (§ 24 Abs. 1) Sonderbedarfe (§ 24 Abs. 3) und für Bildung und Teilhabe (§ 28 Abs. 2, Abs. 4-7).
Nach näherer Maßgabe von § 38 SGB II wird vermutet, dass Leistungsberechtigte bevollmächtigt sind, Leistungen auch für die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen.
Nach einer bereits erfolgten Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bedarf es für die Weiterentrichtung im nächsten Bewilligungsabschnitt (zum Bewilligungszeitraum s. § 41 Abs. 3) grds. eines Fortzahlungsantrags.
Hinweis:
Im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie ist bei Leistungen für Bewilligungszeiträume ab dem 1.3.2020 bis derzeit zum 31.12.2020 für deren Weiterbewilligung abweichend von § 37 kein neuer Antrag erforderlich, § 67 Abs. 5, S. 1 – s. die weiteren hier einschlägigen Regelungen in S. 2-5 .
b) Verwaltungsverfahren
Für das Verfahren nach dem SGB II gilt grds. das SGB X (§ 40 Abs. 1 S. 1). Hier gilt – soweit keine besonderen abweichenden Rechtsvorschriften bestehen – der Grundsatz der Nichtförmlichkeit (§ 9 SGB X). Alg II kann grds. auch mittels E-Mail beantragt werden, wenn Jobcenter für einen Zugang die Kommunikation durch E-Mail eröffnet haben; zugegangen ist die E-Mail in diesem Fall bereits dann – mit der Rückwirkung nach § 37 Abs. 2 S. 2 –, wenn sie in den Macht- oder Willensbereich der Behörde gelangt, wobei auf übliche Dienstzeiten nicht abzustellen ist (BSG, Urt. v. 11.7.2019 – B 14 AS 51/18 R, Rn 16 und 18).
Abweichungen bzw. Ergänzungen zu Verfahrensnormen des SGB X ergeben sich etwa hinsichtlich der Vorschriften zur Sachverhaltsermittlung (§§ 57 ff.), zu den Mitwirkungspflichten (§§ 56, 59, 61) oder zur vorläufigen Entscheidung (§ 41a). Für Leistungsberechtigte gegenüber allgemeinen Verfahrensvorschriften nachteilige Abweichungen folgen aus § 40. Zum Teil verweisen Regelungen auf Bestimmungen des SGB III (Abs. 2) bzw. sind an solche angelehnt (Abs. 3), z.T. erfolgen Modifizierungen von Vorschriften des SGB X, so in Abs. 1 S. 2 hinsichtlich der Norm des § 44 SGB X: Diese im Sozialrecht für die Leistungsberechtigten und ihre Vertreter wichtige Norm räumt im Rahmen ihrer Ausprägung der Verwirklichung materieller Gerechtigkeit Vorrang gegenüber der Bindungswirkung von belastenden Bescheiden (§ 77 SGG) bzw. von rechtkräftigen gerichtlichen Entscheidungen ein.
Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass (anfänglich) bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und insoweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (für Verwaltungsakte, die nicht für Grund/Höhe einer Sozialleistung oder einer Beitragsforderung erheblich waren, gilt § 44 Abs. 2 SGB X). In diesem Fall werden nach § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, i.Ü. – z.B. bei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden – gibt es grds. keine zeitliche Begrenzung.
§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 beschränkt nun die Überprüfbarkeit von Bescheiden nach § 44 Abs. 1 u. 2 SGB X generell auf vier Jahre und ordnet in § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 eine Nachzahlung nur noch für ein Jahr rückwirkend an.
Problematisch sind diese Abweichungen (s. auch die in Abs. 7 vorgenommene für die Berechtigten nachteilige Modifizierung von § 28 SGB X) nicht nur vor dem Hintergrund, dass Verfahrensrecht der Verwirklichung des materiellen Rechts dient und hier dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Zumindest in der Vergangenheit ...