Das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019” (BGBl I, S. 2121) hat in § 379b StPO den gemeinschaftlichen Nebenklägerbeistand eingeführt (vgl. wegen der Einzelh. Burhoff ZAP F 22, S. 1009, 1025 ff.). Danach kann, wenn mehrere Nebenkläger gleichgelagerte Interessen verfolgen, ihnen das Gericht einen gemeinschaftlichen Rechtsanwalt als Beistand bestellen. Zu dessen Auswahl hat das OLG Karlsruhe im Beschl. v. 8.5.2020 (2 Ws 94/20) Stellung genommen.
Das OLG Karlsruhe (a.a.O.) weist darauf hin, dass die Regelung des § 397b StPO als Kann-Vorschrift ausgestaltet sei und dem Gericht sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen belasse. Gleichgelagerte Interessen seien nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe in § 397b Abs. 1 S. 2 StPO in der Regel bei Nebenklägern anzunehmen, die – was im entschiedenen Fall gegeben war – nahe Angehörige desselben Getöteten (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO) sind. Die Kriterien für das Vorliegen gleichgelagerter Interessen sind dabei anhand der jeweiligen Umstände zu ermitteln. Gegenläufige, widersprüchliche oder unvereinbare Interessen von Nebenklägern, deren gleichzeitige Wahrnehmung dem Mehrfachvertreter wegen widerstreitender Interessen gem. § 43a Abs. 4 BRAO berufsrechtlich untersagt wäre, stünden der Annahme gleichgelagerter Interessen entgegen. Nicht jeder Interessensunterschied begründe allerdings schon einen Interessenwiderstreit. Gleichgelagerte Interessen i.S.d. Neuregelung setzen keine Interessensgleichheit oder vollständige Einigkeit der Nebenkläger voraus. Unterschiedliche Auffassungen unter den Nebenklägern über die Art und Weise der Verfahrensführung können ggf. im Rahmen der Gruppenvertretung dadurch Berücksichtigung finden, dass der Nebenklagevertreter im Namen nur eines bestimmten Nebenklägers einzelne Anträge stellt bzw. Erklärungen vornimmt. Durch die Zuordnung eines Nebenklägers zu einer Gruppe müsse sichergestellt sein, dass dessen Interessen durch den gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter hinreichend wahrgenommen werden können. Stets sollen – so das OLG – die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sein. Liegen die Voraussetzung der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung vor, sehe § 397b Abs. 1 S. 1 StPO auf der Rechtsfolgenseite ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen vor. Hinsichtlich des Entschließungsermessens, ob die Mehrfachvertretung überhaupt in Betracht zu ziehen sei, solle das Gericht neben der Interessenlage der Nebenkläger weitere Gesichtspunkte berücksichtigen, wie etwa die Wahrung der Rechte des Angeklagten, den Resozialisierungsgedanken oder die voraussichtliche Dauer und Komplexität des Verfahrens. Liegen sachlichen Gründe vor, nach denen die Wahrnehmung der Interessen der Nebenkläger nur durch einen jeweils gesonderten Rechtsbeistand sachgerecht erfolgen könne, solle von der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung abgesehen werden (BT-Drucks 19/14747, S. 39).
Hinweis:
Bei der gem. § 397b Abs. 1 StPO zu treffenden Auswahlentscheidung sind nach der Intention des Gesetzgebers (BT-Drucks 19/14747 S. 39) weder eine „Waffengleichheit” der einzelnen Nebenkläger noch ein „besonderes Vertrauen” zum selbst gewählten Beistand bestimmende Gesichtspunkte. Im Gegensatz zur in § 142 StPO geregelten Auswahl des zu bestellenden Pflichtverteidigers, bei welcher der bezeichnete Verteidiger regelmäßig zu bestellen ist, kommt dem objektiven Vorliegen gleichgelagerter Interessen der verschiedenen Nebenkläger maßgebliche Bedeutung zu. Eine Bindung des Gerichts an die jeweilige Wahl der verschiedenen Nebenkläger würde – so auch das OLG Karlsruhe (a.a.O.) – der gesetzlichen Regelung, mehreren Nebenklägern einen vom Gericht zu bestimmenden gemeinschaftlichen Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, ersichtlich zuwiderlaufen. Einen übereinstimmenden Antrag der betroffenen Nebenkläger hinsichtlich des auszuwählenden Nebenklägervertreters sieht die StPO gerade nicht vor.