1. Besetzungseinwand nach neuem Recht (§§ 222a, 222b StPO)
Das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019” (BGBl I, S. 2121) hat u.a. auch die §§ 222a StPO, die den Besetzungseinwand in den erstinstanzlich beim LG bzw. OLG anhängigen Fragen regeln, geändert (wegen der Einzelh. Burhoff ZAP F 22, S. 1009, 1014 ff.). Zu diesen Änderungen liegen bisher drei Entscheidungen von OLG vor.
a) Anwendbarkeit im Bußgeldverfahren
Das OLG Köln hat in einem Beschl. v. 1.10.2020 (2 Ws 534/20) zur Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften im Bußgeldverfahren Stellung genommen, wenn das LG erstinstanzlich tätig wird. Das OLG hat die Anwendbarkeit im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH zum alten Recht (BGH, Beschl. v. 27.5.1986, KRB 13/85 [KG], NStZ 1986, 518) verneint (a.A. – für Bußgeldverfahren vor dem OLG – wegen Kartellordnungswidrigkeiten Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 222a Rn 2; Deiters in SK-StPO, 4. Aufl., § 222a Rn 4; Eschelbach in KMR StPO, 2018, § 222a Rn 24; weitere weiterführende Hinweise bei OLG Köln, a.a.O.).
b) Form des Besetzungseinwands (§ 222b StPO)
Das OLG Celle hat sich in seinem Beschl. v. 27.1.2020 (3 Ws 21/20, StRR 3/2020, 15 = StraFo 2020, 159) zu den Erfordernissen an die Form/Begründung des Einwands geäußert. Nach Auffassung des OLG muss der Besetzungseinwand die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, angeben. Das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b StPO solle dem Willen des Gesetzgebers zufolge nämlich im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein. Hieraus folge, dass die nach früher geltendem Recht vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen des Besetzungseinwandes sowie die Begründungsanforderungen gem. § 222b Abs. 2 S. 2 und 3 StPO – in der bis zum 10.12.2019 geltenden Fassung – erhalten bleiben (BT-Drucks 19/14747, S. 31). Die Anlehnung an das Revisionsverfahren habe wiederum auch zur Folge, dass der Besetzungseinwand in der gleichen Form geltend zu machen sei wie die als Verfahrensrüge ausgestaltete Besetzungsrüge der Revision nach Maßgabe von §§ 345 Abs. 2, 309 Abs. 2 StPO (vgl. schon zum früheren Recht BGHSt 44, 161; Meyer-Goßner-Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 222b Rn 6 und § 338 Rn 21). Ebenso wie bei der Verfahrensrüge der Revision müssen hierbei alle einen behaupteten Besetzungsfehler begründenden Tatsachen im Einzelnen und konkret rechtzeitig und vollständig vorgebracht werden; die Begründungsanforderungen entsprechen weitgehend denjenigen des § 344 Abs. 2 StPO (LR-Jäger, StPO, 27. Aufl., § 222b Rn 17; MK-StPO-Arnoldi, § 222b Rn 13; KK-StPO-Gmel, 8.Aufl., § 222 Rn 8). Hieran habe sich auch auf der Grundlage der Vorschrift des § 222b StPO und dem hiernach möglichen Rechtsbehelf des Besetzungseinwands in der Fassung vom 10.12.2019 ersichtlich nichts geändert. Der Besetzungseinwand müsse demnach – und zwar innerhalb der in § 222b Abs. 1 S. 1 StPO benannten Frist und ohne Bezugnahmen und Verweisungen – aus sich heraus Inhalt und Gang des bisherigen Verfahrens so konkret und vollständig wiedergeben, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 S. 2 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht werde. Hierzu zähle auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen.
c) Zuständigkeit bei verfristetem Besetzungseinwand
Das OLG Bamberg befasst sich in seinem Beschl. v. 23.1.2020 (1 Ws 14/20, StraFo 2020, 244 = NStZ 2020, 504 = StRR 8/2020, 17) mit der Frage, welches Gericht über einen verfristeten Besetzungseinwand zu entscheiden hat. Im entschiedenen Fall hatte der Angeklagte hat am ersten Tag der Hauptverhandlung vor der Strafkammer eine Besetzungsrüge erhoben. Das LG hat die Rüge mit Beschluss vom gleichen Tage für nicht begründet erachtet und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. In den Gründen hat es ausgeführt, dass die Besetzungsrüge unzulässig, weil verspätet erhoben, sei. Innerhalb der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 StPO sei kein Einwand der vorschriftsmäßigen Besetzung erhoben worden.
Das OLG Bamberg (a.a.O.) hat den Besetzungseinwand des Angeklagten gem. § 222b Abs. 3 S. 2 StPO verworfen. Die Zuständigkeit des OLG für die Entscheidung über den Besetzungseinwand ergab sich für das OLG Bamberg aus § 222b Abs. 3 S. 1 StPO. Sie bestehe auch für den Fall, dass das LG den Besetzungseinwand der Sache nach für unzulässig, weil verfristet erhoben, erachtet hat. Nach der gesetzlichen Systematik habe ein Gericht, dessen Besetzung angegriffen werde, den Vorgang dem Rechtsmittelgericht vorzulegen, wenn es den Einwand vorschriftswidriger Besetzung nicht für begründet erachtet. Dies sei auch dann der Fall, wenn das Gericht bereits nicht in die Sachprüfung einsteige, weil nach seiner Ansicht die formalen Voraussetzungen der Rüge nicht eingehalten seien. Dieses Ergebnis entspreche dem Telos der gesetzlichen Regelung. Zweck des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens sei es, die Frage der ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung einer zeitnahen Klärung zuzuführen, die für das spätere Revisionsverfahren verbindlich sei (vgl. BT-Drucks 19/14747, S. 35). Eine solche frühzeitige Klärung, die die Möglichkeit einer Be...