Von Franz Grillparzer stammt das schöne Zitat: „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.”
Dieses Zitat geht mir in den letzten Wochen und Monaten zunehmend durch den Sinn, wenn ich die Diskussionen verfolge, die innerhalb und außerhalb der Anwaltschaft über unser Berufsbild, unsere berufliche Tätigkeit und insb. über unsere berufliche Zukunft geführt werden. Anlass für solche Diskussionen gibt es freilich reichlich:
Da scheiden sich die Geister am Für und Wider des Kostenrechtsänderungsgesetzes, das die einen für unzureichend, die anderen für zu weitgehend und wieder andere für einen gelungenen oder auch faulen Kompromiss halten.
Desweiteren wird darüber geklagt, dass der Zugang zum Recht zu teuer zu werden droht oder darüber, dass es ein Unding sei, ausgerechnet zu Zeiten der Pandemie ein solches „Kostenbeschleunigungsgesetz” auf Biegen und Brechen durchzupeitschen.
Legal Tech-Plattformen stellen eine weitere Herausforderung dar und drängen – inzwischen unterstützt von höchstrichterlicher Rechtsprechung – auf den Rechtsberatungsmarkt mit Angeboten vor, die sich offensichtlich allseits steigender Beliebtheit erfreuen und mancherorts als ernst zu nehmende Konkurrenz für die traditionelle Anwaltschaft empfunden werden.
Und weil das Ganze als Verbraucherschutz pur von den Anbietern werbewirksam präsentiert wird, will auch die Politik nicht zurückstehen und mit Gesetzesentwürfen dem nicht ganz so neuen Namen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) alle Ehre machen.
Da nimmt man einen sicherlich in vielen Punkten längst überfälligen Gesetzesentwurf zum anwaltlichen Berufsrecht und zur Bundesrechtsanwaltsordnung, der dem geänderten Bild der Anwaltschaft Rechnung tragen soll, zum Anlass, die Grenzen zum nichtanwaltlichen Dienstleister und gewerblichen Unternehmer weitestgehend zu verwischen und sieht in einem weiteren Entwurf i.Ü. die Lösung darin, die Wettbewerbsfähigkeit zu den Legal Tech-Anbietern dadurch zu fördern, dass man nach dem berühmten kleinsten gemeinsamen Nenner sucht.
Der seinerzeit mühsam erarbeitete Kompromiss zur Neuregelung des Erfolgshonorars wird relativiert, indem bei geringen Streitwerten ein Erfolgshonorar ohne jegliche Einschränkungen möglich sein soll und bei Inkassodienstleistungen unabhängig vom Streitwert mit Einschränkungen, die das Papier nicht mehr wert sind.
In dem Referentenentwurf „Zur Förderung verbrauchergerechter (!) Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt” werden zudem zahlungsunwillige Verbraucher dadurch belohnt, dass sie in Zukunft praktisch nur noch die Hälfte des anwaltlichen Honorars zu entrichten haben und als Krönung soll den Anwälten im RVG-Entwurf die Möglichkeit eröffnet werden, bei eben solchen Inkassodienstleistungen im außergerichtlichen Bereich vollständig auf das Honorar zu verzichten.
Wer nun glaubt, diese Wohltaten oder vergifteten Geschenke – je nach Betrachtung – lösten einen Aufschrei der Anwaltschaft aus, reibt sich erstaunt die Augen und nimmt eine bemerkenswerte Stille der Basis war.
Freilich, die BRAK hat anlässlich der Hauptversammlung in Kiel klare Aussagen getroffen und auch beim DAV lässt sich an der einen oder anderen Vorstellung des Gesetzgebers leise und höfliche Kritik vernehmen. Von der Basis jedoch: Das große Schweigen.
Laut sind hingegen die Stimmen jener, die sich schon immer als Bilderstürmer und engagierte Kritiker des Bestehenden positioniert haben. So richtig ist allerdings erst jetzt ihre Stunde gekommen, wo allerorten das Hohelied der disruptiven Innovation gesungen wird „welches der Rücksichtslosigkeit und Achtlosigkeit Beifall spendet” (vgl. Jill Lepore in: Diese Wahrheiten, Beck-Verlag).
„Inkohärenz” ist das weitere neue Modewort, mit dem alles und jedes beigeschliffen werden soll, was das auf Sonntagsreden hochgelobte „Organ der Rechtspflege” vom „Justiziarkaufmann” – noch – unterscheiden hilft. Das Ganze wird von den „Lauten” mit einem Eifer betrieben, der dem „Eifer der Schweigenden” mindestens gleichkommt, die Dinge geschehen zu lassen und Folgen nicht zu bedenken, die am Ende der Entwicklung stehen könnten:
Nicht die inzwischen sogar belächelte Gefahr einer Gewerbesteuer gilt es vorrangig zu beachten, wenn sich der anwaltliche Rechtsdienstleister dem gewerblichen Unternehmer mehr und mehr angleicht, sondern in erster Linie die gravierenden Folgen für das rechtsuchende Publikum.
Die jüngste Entscheidung des EuGH zu den Honoraren der Architekten (EuGH, Urt. v. 4.7.2019 – C-377/17, s. ZAP EN-Nr. 451/2019) lässt sich als Blaupause für das anwaltliche Gebührenrecht nutzen, wenn sich auf dem Rechtsmarkt die nichtanwaltlichen Dienstleister genauso betätigen wie die anwaltlichen Dienstleister. Fällt allerdings das anwaltliche gesetzliche Gebührensystem, so ist der Verlust des weltweit fast einmaligen und von den Rechtsuchenden hochgeschätzten Kostenerstattungssystems nicht weit. Ein schöner, wenn auch etwas später Erfolg für den unvergessenen Herrn Monti aus Brüssel!
Am 13.11.2020 fand ein...