Der November war kein guter Monat für das Bild von Richtern in der öffentlichen Wahrnehmung. Zuerst scheiterte ein Richter, dem seine Vorgesetzten vorwarfen, „weniger als ein Halbtagsrichter” zu leisten, mit seiner Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG, dann wurde auch noch eine Richterin wegen jahrelanger Nichtbearbeitung ihrer Fälle zu einer Haftstrafe verurteilt.
Dem Richter am Oberlandesgericht war 2012 i.R.d. Dienstaufsicht die ordnungswidrige Art der Ausführung seiner Amtsgeschäfte gem. § 26 Abs. 2 DRiG vorgehalten worden; die Gerichtspräsidentin ermahnte ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung seiner Amtsgeschäfte. Sie führte aus, dass der Beschwerdeführer das Durchschnittspensum seit Jahren „ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche” unterschreite. Hiergegen wehrte sich der Gemaßregelte zunächst mit Widerspruch und dann durch alle dienstgerichtlichen Instanzen, jedoch ohne Erfolg, weswegen er schließlich Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit gem. Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 GG erhob. In Karlsruhe scheiterte er jetzt ebenfalls. Die Verfassungsbeschwerde sei nicht hinreichend begründet, befand das BVerfG; sie habe sich u.a. nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass das DRiG die Richter nicht nur zu „ordnungsgemäßer”, sondern auch zu „unverzögerter” Erledigung der Amtsgeschäfte anhalte. Zudem habe die Verfassungsbeschwerde nicht dargelegt, inwieweit die Aufforderung der Dienstaufsicht, die Arbeitsweise zu ändern, auch zur Folge habe, in einem bestimmten Sinn zu entscheiden oder das Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben. Nur dann wäre die richterliche Unabhängigkeit tangiert (BVerfG, Beschl. v. 11.11.2021 – 2 BvR 1473/20).
Richtig „dick” kam es für eine Richterin an einem nordrhein-westfälischen Amtsgericht. Sie wurde vor dem LG Hagen wegen jahrelanger Nichtbearbeitung von Fällen angeklagt und – nach einem Teilgeständnis – zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. In dem Strafprozess räumte die 37-jährige Juristin ein, die Akten nicht bearbeitet zu haben. Sie habe eine „Blockade im Kopf” gehabt und sich um die Fälle einfach nicht mehr kümmern können. Die vermissten Akten waren später in einem Umzugskarton in ihrem Keller gefunden worden. Das LG Hagen erkannte – nachdem ein Gutachter die Richterin für voll schuldfähig befunden hatte – auf Rechtsbeugung in zehn Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in sechs Fällen in Tateinheit mit Verwahrungsbruch und Urkundenunterdrückung. Die verhältnismäßig harte Strafe – mehr als drei Jahre – erklärt sich auch daraus, dass die Strafrichter es der Angeklagten offenbar sehr übelnahmen, dass diese keinerlei Skrupel hatte ihr eigenes Fehlverhalten auf andere abzuwälzen. So soll sie versucht haben, die von ihr begangenen Fristversäumnisse mehreren anderen Beschäftigten des Amtsgerichts in die Schuhe zu schieben (LG Hagen, Urt. v. 18.11.2021 – 46 KLs 8/21 LG, nicht rkr.).
Der künftige Rechtsstaatspakt für die Justiz (s. den Koalitionsvertrag, oben S. 1230 ff.) – so darf man leider vermuten – wird sich mit solchen Überforderungsfällen kaum befassen.
[Red.]
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