Tatbestandlich muss der Amtswalter eine Amtspflicht verletzen, die gegenüber dem Bürger besteht. Amtspflichten sind Pflichten, die dem Amtswalter gegenüber dem Staat als seinem Dienstherrn obliegen (Innenverhältnis). Anknüpfungspunkt der Amtspflichtverletzung ist damit nicht die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme im Außenverhältnis. Amtspflichten können sich neben Gesetzen auch aus Verwaltungsvorschriften und verwaltungsinternen Weisungen ergeben.
Beispiel:
Erlässt ein Bürgermeister aufgrund einer Weisung des Landrates einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, so liegt keine Amtspflichtverletzung des weisungsgemäß handelnden Bürgermeisters vor, obwohl er den rechtswidrigen Verwaltungsakt gegenüber dem Bürger erlassen hat. Die Amtspflichtverletzung hat vielmehr der Landrat begangen, der eine rechtswidrige Weisung erteilt hat. Für den Haftungsübergang nach Art. 34 S. 1 GG bedeutet dies, dass nicht die Gemeinde (für den Bürgermeister) haftet, sondern der Rechtsträger, für den der Landrat gehandelt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZR 216/07, juris).
Die verletzte Amtspflicht muss einen Drittbezug aufweisen, um einen Amtshaftungsanspruch auszulösen. Nach der sog. neuen Formel des Bundesgerichtshofes (BGH, Urt. v. 6.7.1989 – III ZR 251/87, BGHZ 108, 224-230) besteht eine solche Drittbezogenheit, wenn bei der Amtshandlung „in qualifizierter und individualisierbarer Weise auf die schutzwürdigen Interessen eines abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen” ist. Dies setzt voraus, dass die Amtspflicht nicht nur abstrakt auf Dritte bezogen ist, sondern der Anspruchsteller selbst im konkreten Fall in diesen Schutzbereich mit einbezogen ist.
Beispiele für drittbezogene Amtspflichten sind:
- Keine unerlaubten Handlungen nach § 823 Abs. 1 BGB zu begehen;
- Pflicht, rechtmäßig zu handeln (vgl. zur Pflicht, rechtmäßige (Abgaben-) Bescheide zu erlassen, LG Cottbus, Urt. v. 21.7.2017 – 3 O 14/17, juris);
- Anträge innerhalb einer angemessenen Pflicht zu bearbeiten (vgl. zur Pflicht, unverzüglich ein Negativzeugnis nach § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB auszustellen: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 22.6. 2021 – 2 U 6/21, juris);
- Auskünfte vollständig, richtig und unmissverständlich zu erteilen;
- Verkehrsregelungspflichten aus der StVO (vgl. zur Pflicht, Fahrbahnleitlinien, die nach Jahren auf der Fahrbahnoberfläche wieder durchschimmern (sog. Phantommarkierung), zu beseitigen (OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 30.1.2017 – 7 U 46/16, juris);
- Straßenverkehrssicherungspflicht nach den jeweiligen Landesstraßengesetzen (vgl. zur Haftung für einen Fahrbahnbelag, der eine unzureichende Griffigkeit aufweist, OLG Hamm, Urt. v. 18.12.2015 – I-11 U 166/14, juris);
- Unterlassen einer Handlung bei einer staatlichen Garantenstellung (Pflicht zum Tätigwerden gegenüber/im Interesse des Anspruchstellers).
Wird der Amtshaftungsanspruch darauf gestützt, dass die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht, so gilt es sorgfältig zwischen Bestandskraft und Rechtskraft zu unterscheiden. Ist der fragliche Verwaltungsakt nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig geworden, führt dies zu keiner Bindungswirkung des über den Amtshaftungsanspruch zur Entscheidung berufenen Zivilgerichts. Die Zivilrichter prüfen die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes in eigener Zuständigkeit als Teil der Amtspflichtverletzung (BGH, Urt. v. 15.11.1990 – III ZR 302/89, BGHZ 113, 17-26). Anders ist die Situation, wenn bereits eine rechtskräftige Entscheidung eines Verwaltungsgerichts im Primärrechtsschutz zur Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vorliegt. Dann ist das Zivilgericht hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes an die verwaltungsgerichtliche Entscheidung gebunden (BGH, Urt. v. 16.3. 2021 – VI ZR 773/20, juris).
Mangels Drittbezogenheit scheidet eine Haftung für legislatives Unrecht regelmäßig aus (BGH, Urt. v. 24.10.1996 – III ZR 127/91, BGHZ 134, 30-41).
Beispiel:
Mietern, die infolge der Unwirksamkeit der Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung eine höhere Miete zu entrichten haben, steht gegen das Land Hessen kein Amtshaftungsanspruch zu (BGH, Urt. v. 28.1.2021 – III ZR 25/20, juris).
Dies gilt allerdings nicht für den Satzungsbeschluss eines Bebauungsplans, da sich der Geltungs- und Wirkungsbereich eines Bebauungsplans räumlich und individuell deutlich abgrenzen lässt (so bereits BGH, Urt. v. 26.01.1989 – III ZR 194/87, BGHZ 106, 323-336).